Ich war so ziemlich die Erste als ich mich zum
Anmeldeschalter begab. Nicht nur, dass ich für die Schwestern keine Fremde mehr
war, nein, sie kannten mich sogar schon beim Namen.
Merke: wenn dich die Schwestern in einer
Krankenhausambulanz bereits beim Namen nennen können und dein Akt griffbereit
ist, dann ist das kein gutes Zeichen.
Kurz nach meiner Anmeldung wurde ich bereits
aufgerufen und zur Blutabnahme geholt. Offenbar wollten sie den am Vortag
festgestellten Werteanstieg des HCG mit einer weiteren Probe untermauern. Mein
Blutröhrchen kam in eine Transportbox und wurde mit dem Vermerk
"EILT" Richtung hausinternem Labor verschickt. Ich fragte noch wie
lange es wohl dauern würde und setzte mich wieder in den Warteraum um in meinem
Buch zu Lesen. Vielleicht sollte ich auch erwähnen, dass ich nüchtern war und
nichts lieber getan hätte, als mir einen leckeren Cappuccino zu gönnen. Da es
aber sein konnte, dass ich schon in einer guten Stunde wieder am
Operationstisch liegen würde, sollte ich diesbezüglich aber keinen trinken.
Also machte ich es mir im Warteraum gemütlich und las.
Und las. Und las. Ich bin generell ein nicht sehr geduldiger Mensch, aber als
ich nach einer Stunde mal vorsichtig nach meinen Ergebnissen fragte und eine
negative Antwort diesbezüglich bekam, wurde ich schon ein wenig hibbelig.
Immerhin ging es ja nicht nur um meine Ergebnisse. Der komplett weitere Verlauf
dieses Tages hing von diesen Werten ab. Musste ich operiert werden? Und wenn
ja, wann? (und vor allem nicht zu unterschätzen waren mein mittlerweile nicht
mehr auszuhaltender Hunger und vor allem Durst). Ich setzte mich also (bereits
leicht genervt) auf meinen Platz und wartete weiter. Patienten kamen und
gingen. Ich wartete immer noch. Nach 1,5 Stunden holte mich die Schwester zu
sich. "Endlich", dachte ich und freute mich über die überstandene
Wartezeit. Aber was jetzt kam, dass war zu viel für mich. Ich nahm mein doofes
Schicksal ruhig und gelassen hin. Operation über Operation, Hiobsbotschaft über
Hiobsbotschaft. Aber jetzt war ein Punkt erreicht an dem ich feststellen
musste, dass meine Nerven nicht aus Stahl waren. Nein, irgendwann war Schluss
mit lustig.
Auf der nach oben offenen "wie absurd kann mein
Leben noch werden" – Skala erreichte DAS einen neuen Topwert.
DIE HATTEN TATSÄCHLICH MEIN BLUT VERLOREN!
Die Schwester entschuldigte sich gefühlte zwei
Millionen Mal. Und dennoch: ich war kurz vorm Explodieren. Wie schwer kann es
bitte sein eine thermoskannengroßen Gegenstand mit der Aufschrift
"LABOR" und "EILT" eilig ins Labor zu befördern? Ach
Mensch. Wie dumm kann man sein?
Ich weiß, ich weiß. Richtet nicht damit ihr nicht
gerichtet werdet. Aber ich wollte richten, und zwar hin.
"Das ist wirklich peinlich, aber glauben sie mir:
das passiert gerade Mal zwei Mal im Jahr", kommentierte die Schwester.
"Prozentuell gesehen wäre das wohl echt nicht
viel", blökte ich zurück und blickte zynisch in Mr. T´s Augen, der
mittlerweile diesem Schauspiel beiwohnte. Er kannte sich sofort aus auf was ich
anspielte und versuchte mich zu beruhigen.
"Was machen wir jetzt? Ich kann nicht von ihnen
verlangen, dass sie sich ein weiteres Mal stechen lassen."
"Ach bitte, auf einen Stich mehr oder weniger
kommt es bei meinen Armen auch nicht mehr an. Vielleicht sollte ich jedoch die
Probe persönlich ins Labor bringen." Ich hoffte, dass er den Zynismus
bemerken würde.
"Na gut, dann schicke ich ihnen dann noch mal die
Schwester. Ich würde Ihnen übrigens gerne eine weitere Operation ersparen. Doch
wir müssen handeln, denn ihre Werte sind wieder gestiegen und restliche
Gewebeteile sind offenbar weitergewachsen. Das haben sie ja bereits am Telefon
erfahren. Es gibt ein Medikament namens Methotrexat. Dieses Medikament verhindert
die Produktion von neuen Zellen und stoppt das Wachstum. Die Verabreichung des
Medikamentes erfolgt mittels einer intramuskulären Injektion. Die
Eileiterschwangerschaft wächst auch häufig noch in der Größe. Dies ist
wahrscheinlich das Resultat eines Blutergusses und weniger eines wirklichen
Wachstums der Schwangerschaft. Wir müssen es bestellen. Wenn sie morgen noch
einmal vorbeikommen könnten, dann spritzen wir es ihnen. Dann haben sie es
überstanden."
"Das wäre schön."
"Gut, dann sehen wir uns morgen wieder."
Und so verließ ich nach eindeutig zu vielen Stunden
die Klinik. Auf der einen Seite froh einer weiteren Operation entgangen zu
sein, auf der anderen Seite erschüttert, was mir wieder alles passiert war. Die
Neuigkeiten wurden prompt wieder unter die Massen (Hasi, Eltern, engste Freunde
und Kollegen) gebracht. Manche (mich eingeschlossen) fanden es wirklich schon
absurd was hier vorging. Meine Kollegin meinte sogar, sie traue sich schon gar
nicht mehr beim Telefon abheben, denn ich hatte immer noch schlechtere und noch
unglaubwürdigere Nachrichten. Ja, ich empfand es auch bereits so. Aber zu
diesem Zeitpunkt ahnte ich noch nichts vom weiteren Verlauf. Alles bisherige
war dagegen ein Kindergeburtstag (ein ziemlich wagemutiger Vergleich – ich
weiß). Pipifax. Nicht der Rede wert. Ich hatte ja keinen blassen Schimmer was
die nächsten paar Tage noch für mich in petto hätten.
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