Montag, 15. Oktober 2012

Punktion

Es war Donnerstag. Unser großer Tag. Erntezeit. Als ich am morgen vor dem Spiegel stand, schossen mir zwei Gedanken durch den Kopf.
1)             Warum sehen meine Haare immer so scheiße aus? (Ganz ehrlich, warum gaukelt uns die Werbeindustrie immer wieder vor, dass es Frauen gibt, die wie aus dem Ei gepellt morgens mit einer gestylten Wallemähne aus dem Bett steigen? Ich hingegen bin eher eine "Spur der Verwüstung", eine weibliche Ganzkörperdruckstelle. Grundsätzlich habe ich ja ein ganz normal gestörtes Verhältnis zu meinem Körper. Aber die Geschichte mit meinen superdünnen Spaghettihaaren, das nervte mich heute besonders.)
2)             Wie wird meine Punktion heute verlaufen?

Am wichtigsten war natürlich Frage Nummer zwei, jedoch lenkte mich Frage eins ziemlich gut von Zwei ab. Wenn auch nur kurzfristig. Im Prinzip freute ich mich auf meine Punktion, wusste ich doch, dass nach meinem Idealbefund nicht sehr viel schief gehen konnte. Immerhin lag ich da voll und ganz in der Norm. Also wovor hatte ich Angst? Hasi hingegen war etwas nervös vor der Spermienabgabe, was ich verstand. Auf Kommando und unter Druck tut man(n) sich da sicher nicht so leicht.

Wir fuhren in die Klinik und meldeten uns zum vereinbarten Termin bei der Aufnahmeschwester. In der KiWu gab es ein eigenes Zimmer für Punktion-Patientinnen. Es war nichts anderes als ein Aufwachraum mit 4 Betten. Als wir in diesen Aufwachraum begleitet wurden, lag bereits eine Frau ganz am Anfang des Zimmers. Gut für mich, denn ich nehme immer das Letzte. Wie zu Schulzeiten die letzte Reihe. Ich mag das. Es gibt mir Sicherheit.

Ich ging also ganz siegessicher zum letzten Bett und zog mir das sexy Krankenhausnachthemd über. Hasi blieb noch eine Weile bei mir. Dann wurde er jedoch von einer Schwester abgeholt um seinen Part ordnungsgemäß zu erfüllen.

Ich wünschte ihm noch gutes Gelingen.

Kurze Zeit später war alles vollbracht und er verabschiedete  sich von mir. Im selben Moment kam eine Schwester und teilte mir mit, dass es dann losginge.
"Das ist nicht schlimm, sie brauchen nicht nervös zu sein", beruhigte mich die nette Schwester.
"Sie werden in einen leichten Dämmerschlaf versetzt. Keine Vollnarkose. Zuerst wird die Scheide mit einer Lösung ausgespült, wegen der Desinfektion. Dann wird der Ultraschallkopf eingeführt. Danach wird die Nadel durch die Scheidenwand in den Follikel geführt und über ein Schlauchsystem, das mit einer Pumpe verbunden ist, wird die Follikelflüssigkeit mit der Eizelle aus dem Eierstock abgesaugt. Wir werden bald fertig sein."

Ich kann mich dann noch an einen OP-ähnlichen Raum erinnern und an einen mir unbekannten Arzt. Dieser Arzt teilte mir noch mit, dass Mr. T ihn gebeten hatte, meine Punktion durchzuführen, da er verhindert war.
"Kein Problem", teilte ich ihm mit.

Dann ging es wieder recht flott und ich war wieder im Land der Träume. Nicht dass ich mich erinnern könnte, aber ich könnte schwören, dass ich von Seifenblasen geträumt habe.

Als ich, immer noch benebelt, aufwachte, war meine erste Frage die Anzahl meiner Eizellen. Denn nur weil bei den vorangegangenen Ultraschalluntersuchungen viele Eibläschen zu sehen waren, hieß das nicht, dass auch in jedem Eibläschen eine brauchbare Eizelle war.
"Sie haben zwölf Eizellen."
"Zwölf ist gut, oder?"
"Ja, zwölf ist gut."

Dann schlief ich noch kurz, wurde aber relativ schnell von meinem immensen Hungergefühl geweckt und nahm mein verspätetes Frühstück zu mir. Während ich mir mein Marmeladebrot und meinen Kaffee schmecken ließ, ging mir immer nur eines durch den Kopf: "Ha. Zwölf Eizellen."

Ich will ja wirklich nicht angeben. Aber zwölf fand ich wirklich spitze. Die Hormonbomben hatten sich wirklich ausgezahlt. Mein Körper hatte vielleicht keine Ahnung wie er seine Eileiter frei bekommen sollte, aber eines sei an dieser Stelle erwähnt: was er mit Hormonen anzustellen hatte, das wusste er.

Während ich mir hier stolz selbst auf die Schulter klopfte, wurden Hasi´s Freischwimmer wohl gerade gereinigt und mit meinen Eizellen (zwölf!) zu einem Stelldichein genötigt.

Doch dann geschah etwas, das mich wieder ein wenig auf den Boden der Realität zurückbrachte.

Ich lauschte einem Gespräch zwischen meiner Bettnachbarin und dem Arzt. Ich konnte es kaum fassen. Die hatte siebzehn Eizellen. Siebzehn. Das war ja unmenschlich. Absolut unmenschlich. Ich musste neidvoll anerkennen, dass zu meiner Rechten eine Eizellenzuchtmaschine lag. Diese Frau hatte sich meines Erachtens einen Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde verdient. Da gingen meine Zwölf, auf die ich noch vor wenigen Minuten mit so stolz geschwellter Brust baute, fast unter.

Als Hasi das Zimmer betrat, ließ ich mir aber nichts anmerken und erzählte ihm von unserer tollen Ausbeute. Da er sich ganz offensichtlich riesig freute, ließ ich ihn auch weiterhin im Dunkeln. Ich freute mich ja auch, aber seien wir uns ehrlich: je mehr Eizellen, desto größer die Chance auf Befruchtungen. Je mehr Befruchtungen, desto größer die Chance auf Weiterentwicklung. Und so weiter. Die Eizellenzuchtmaschine stand irgendwann auf und quälte sich zur Toilette. Das gehen fiel ihr sichtlich schwer. Verflucht mich, schüttelt den Kopf angesichts so viel Feindseligkeit. Aber, dass sie nach der Punktion Schmerzen hatte, das machte sie für mich etwas menschlicher. Siebzehn Eizellen ist das Eine, aber Unterleibsschmerzen nach der Punktion, das ist das wahre Leben.

Ihr findet das kindisch? Ja natürlich ist es kindisch.
Ihr findet es böse? Ja natürlich ist es böse.

Aber ich wollte genau so viele reelle Chancen auf ein Baby haben wie sie. Ich war einerseits neidisch auf sie und andererseits enttäuscht von mir.

Aber wie stand schon in der Bibel: du sollst nicht begehren deines Nächsten Eizellen. Oder so.

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