Mittwoch, 31. Oktober 2012

Mittendrin statt nur dabei!

Aus irgendeinem Grund habe ich mich die letzten Tage mit dem Thema Trauer beschäftigt. Das Wort "Trauer"kommt meist einher mit dem Wort Tod.
Aber trauern kann man doch in so vielen Lebenslagen. Nicht nur wenn ein geliebter Mensch verstorben ist.
Ich habe mich wirklich ausgiebig mit diesem Thema beschäftigt und bin auf die 4 Phasen der Trauer gestossen. Und genau diese 4 Phasen habe ich mal als Anlass dazu genommen, mir bewusst zu werden, ob ich je über mein Erlebtes getrauert habe.....
Habe ich meinen Houdini (allein, dass ich ihn immer noch so nenne, wäre wohl für jeden Psychologen ein gefundenes Fressen und sagt unter Garantie einiges über meine Gestörtheitslevel aus) eigentlich jemals betrauert? War ich jemals mir selbst gegenüber in einer Trauerphase. Ich hatte viele Gefühle zu dieser Zeit...aber habe ich jemals Trauer empfunden?

Die 4 Phasen der Trauer werden anscheinend "eröffnet" durch VERDRÄNGUNG.
Halt! Halt! Halt! Ich habe doch niemals verdrängt! Oder habe ich diese Phase im Eiltempo durchlebt?
Hmmm....mal überlegen. Auf eine Bauchhöhlenschwangerschaft mit fast tödlichem Ausgang SOFORT und überhaupt einen neuen IVF Versuch dranzuhängen ohne auch nur mit der Wimper zu zucken....tja....irgendwie blitzt da doch kurzfristig in meinen Gehirnwindungen das Wörtchen "Verdrängung" auf....
Aber ich war mir doch in jeder Sekunde darüber im Klaren was passiert war. IN JEDER SEKUNDE war mir bewusst, dass ich Pech über Pech hatte und hatte bei Gott nicht das Gefühl einen Realitätsverlust erlitten zu haben. Und dennoch. Ein Beigeschmack bleibt.
Naja...diese Phase dauert anscheinend nur kurz an. Vielleicht habe ich sie auch gar nicht richtig bemerkt....
Fällt es unter Verdrängung, wenn man sich darauf konzentriert weiter zu machen? Einfach irgendwie so zu tun als ob? Wird es sich irgendwie, irgendwann rächen, wenn man diese Phase zu kurz oder gar nicht durchlebt hat?
Oder habe ich - vor lauter Stärke -  sehr wohl etwas verdrängt zu dieser Zeit?
Das Leben?

Phase 2 der Trauerbewältigung steht für AUFBRECHENDE GEFÜHLE.
Trauer...ob ICH als Person richtig getrauert habe...das kann ich zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht mit Gewissheit beantworten. Ich weiß es einfach nicht. Aber was ich sagen kann, ist, dass sich irgenwann einmal etwas ganz Neues in meinem "Alleine-Verarbeiten-Universum" ergeben hat. Ich Nichts-Checker. Ich Vollidiot habe die meiste Zeit ganz auf mein Hasi vergessen. Wie es ihm ging. Ich wusste, dass es ihm auch nicht gut ging mit dieser Situation. Aber ich war darauf fixiert meinen Schmerz zu verarbeiten, dass ich zeitweise gar nichts von seinem Kummer mitbekommen habe. Ich hatte so oft gehört, dass Menschen mit mir fühlen. Mit mir traurig waren. Aber es war auch ein gewaltiger Schicksalsschlag für IHN! Ich erfüllte meine Rolle als Alleinleidende so gut, dass ich ihn damals fast übersehen habe. Ich klammerte mich an meine Bedürfnisse. Für was anderes war kein Platz. Damals...
Verzweiflung (JAAAAAAA)
Angst (begleitet mich jetzt noch), Schmerz, Schuldgefühle (hätte ich noch mehr tun können, habe ich alles richtig gemacht)
Wut. Wut? Was für ein Unsinn!!!!  Ich war doch nicht wütend!! Oder doch? Na gut, vielleicht ein wenig wütend...oder doch etwas mehr? Wenn ich sah, dass jemand mit seinem Kind schimpfte, dann hätte ich am liebsten geschrieen: Sei doch froh, dass du überhaupt ein Kind hast!!!
Wenn jemand sich darüber beschwerte, die Nächte wegen Babygeschrei nicht durchschlafen zu können, dann hatte ich auch große Mühe NICHTS zu sagen. Doch....ich war wütend. WUT WUT WUT und nochmals WUT zeichnete sich auch dadurch aus, dass ich mich fragte: WARUM ZUM TEUFEL WIR? Warum haben Menschen Kinder, die sie dann doch nur schlagen? Warum konnte meine erste IVF nicht einfach NICHTS werden. Warum musste sie so dermassen in die Hose gehen?
JAAAAA....ich war wütend. Ich denke, Phase 2 habe ich so richtig schön durchlebt. Da bin ich durchmarschiert. Mit strahlendem Gesicht durchgewatet. Kann ich echt nicht abstreiten.....
Wut ist so unberechenbar. Sie kam dann, wenn ich gar nicht mit ihr gerechnet hatte. Sie marschierte einfach ohne Einladung herein. Hallo, hier bin ich.
Phase 2: CHECK

Was ist also Phase 3? SICH-TRENNEN.
Da weiß ich nicht recht etwas damit anzufangen. Sich trennen...vom Baby? Vom Wunsch?
Ich lass das jetzt einfach mal so stehen.
(sagt das jetzt auch etwas über mich aus???!!!!)

Phase 4: NEUER SELBST- UND WELTBEZUG
Da bin ich mittendrin statt nur dabei! Also wenn ich mich noch in einer Phase befinde, dann in dieser!
UND DIE WIRD MICH SICHERLICH NOCH LANGE BEGLEITEN!!!!

Dienstag, 23. Oktober 2012

Glücklich sein... Kann man das lernen?

Also....was habe ich noch versucht?
Um unserem Wunschbaby = "Sahnehäubchen" auch ohne künstlicher Befruchtung eventuell ein Stück weit näher zu kommen, habe ich dann irgendwann begonnen zu einer Energetikerin zu gehen. Mittlerweile bin ich schon eine Weile bei ihr und wir haben bereits einiges aufgearbeitet. Ich schäle mich da wohl wie eine Zwiebel. Finde ich zumindest. Von einem zum anderen Thema in meinem Leben.
Man könnte auch ganz offen sagen: ich gehe seit einiger Zeit zur Gesprächstherapie (denn die nette Dame ist ausgebildete Psychotherapeutin)
Hmmm...ich schätze ich kann´s nicht Schönreden :-)

Ein ewiges auf und ab ist das bei mir. Mal geht es mir echt gut und ich kann aus voller Überzeugung sagen: es geht mir auch ohne Baby gut. Und dann kommen wieder Tage, da sitze ich dann dort wie ein Häufchen Elend und heule eine geschlagene Stunde vor mich hin. (Anm.: In den ersten paar Minuten bin ich ja noch ziemlich cool. Mrs. Cool in Person. Doch mittlerweile sollte ich wissen, dass die nette Frau genau weiß wo sie reinbohren muss. Da reicht dann ein einziges Wort) Und dann ergießen sich Bäche des Selbstmitleids und Tränen über sie.

Da tauchen dann plötzlich Dinge auf wie:
-          Wäre ich überhaupt eine gute Mutter?
-          Hätte ich die Geduld für ein Kind?

Einfach ganz viele Zweifel. Denn eines muss man auch erwähnen...man macht sich natürlich auch Gedanken WARUM das alles nichts wird. Wenn man davon ausgeht, dass alles einen Grund hat (davon kann man natürlich halten was man will), stellt man sich schon die Frage nach dem Grund.

Zusätzlich werde ich auch mit Tuina von ihr behandelt. (das ist eine selbstständige chinesische Massageform und Teil der Traditionellen Chinesischen Medizin TCM)
Durch diese Anwendungen hatte ich plötzlich (leider nicht ganz regelmäßig) KEINE Menstruationsbeschwerden mehr.

Ein kleiner Schritt für die Menschheit doch ein Großer für mich.

Denn während der roten Pest, liege ich trotz 2-3 Schmerztabletten zusammengekauert in meinem Bett und leide.

Durch diese Behandlungen und Gespräche bin ich zwar immer noch nicht schwanger geworden, aber es hat mir trotzdem sehr geholfen. Mir ist sehr viel klar geworden.

Ich versuche mich zu erklären:
Ich bin ein sehr zielstrebiger Mensch. Elender Perfektionist könnte man auch sagen. Und grundsätzlich war es in meinem bisherigen Leben so, dass ausnahmslos ALLES was ich mir in den Kopf gesetzt habe, auch funktioniert hat. Denn wenn ich etwas wollte, habe ich alle Hebel in Bewegung gesetzt und das durchgezogen. Und dieses Babythema machte mich ziemlich Banane im Kopf, denn das kenne ich nicht, dass etwas nicht so will wie ich will. Mit Hilfe von meiner Energetikerin (nennen wir sie der Einfachheit halber P.) habe ich aber gelernt, dass man eben nicht alles planen und organisieren kann. Dass manches einfach nicht nach meinem Willen funktioniert.
Ich bin den Großteil meiner 5 Babywunschjahre so dermaßen verbissen gewesen, dass ich rundum gar nichts mehr wahrgenommen habe.
Mein Ziel war: BABY
Doch wie bereits erwähnt: den Weg dorthin hab ich völlig ausgeblendet. Ich habe rundherum nichts mehr wahrgenommen. Habe mich an fast nichts mehr wirklich freuen können. Es sind (im Nachhinein betrachtet) echt tolle Dinge passiert in den letzten Jahren, doch richtig würdigen und realisieren kann ich sie erst jetzt. (habe mich verlobt, habe tolle Ausbildungen gemacht, Massagekurse, Energetik-Ausbildung begonnen, bin am Hausbauen, wurde Patentante, habe mich in der Arbeit weiterentwickelt......)
Überschattet war das alles vom Thema BABY.
Dem Ziel. Baby.
P. meinte immer zu mir:
"Ein Vergleich, vielleicht kannst du etwas damit anfangen. Wir beide gehen auf einen Berg. Unser Ziel ist das Gipfelkreuz. Du rennst nach oben ohne nach links und rechts zu blicken. Ich bleibe bei der Hälfte des Weges sitzen...weil es mir dort einfach gefällt."

JETZT kann ich etwas damit anfangen. Und ich bedauere sehr, dass die letzten paar Jahre so spurlos an mir vorübergezogen sind. Vielleicht ist das schon mal ein Schritt in die richtige Richtung. Es fühlt sich auf jeden Fall gut an.

Alleine dass ICH sage: es fühlt sich gut an.....da muss ich echt lachen. Denn als absolute Gefühlslegasthenikerin (in der Vergangenheit) ist mir das nie leicht gefallen über Gefühle und sonstiges zu sprechen. Ich bin der Schreibe-Typ. Aber durch P. habe ich das alles gelernt. Danke danke danke!

Ich versuche zur Zeit (und es gelingt mir recht gut) nicht das Baby als Ziel zu sehen. Darum habe ich mir ein neues, viel besseres Ziel gesteckt. Glücklich sein. Mit dem JETZT-Zustand. Anzuerkennen, dass es auch passieren kann, dass ich nie Kinder haben werde. (vor 2 Jahren hätte ich das nicht einmal denken können ohne loszuheulen) Mein Leben anzunehmen und ein eventuelles Baby tatsächlich als "Sahnehäubchen" zu sehen. Denn ich bin es leid, immer diesem Wunsch hinterher zu jagen. Das heiß nicht, dass ich nichts mehr versuche. Das heißt nur, dass ich es nicht mehr verbissen mache und auch nicht IMMER. Wenn ich Lust habe, dann habe ich Lust. Wenn nicht – dann nicht. Zur Zeit habe ich keine Lust. Also unternehme ich auch nichts diesbezüglich.

Hasi sieht das Gott sei Dank wie ich. Er unterstützt mich da absolut. Manchmal schleudert er sowieso Weisheiten raus, dass ich oft ganz perplex bin. Er überrascht mich jeden Tag aufs neue.  Er sagt lange nichts. Aber dann kommt es.... Irgendwann (als wir uns wieder einmal mit diesem Thema auseinandersetzten meinte Konfuzius also:
Sieh nicht immer das was wir nicht haben, sieh mal das was wir haben.
WOW. Er hatte so recht. Und das hab ich mir echt zu Herzen genommen. Und außerdem hab ich mich auch geschämt. Denn wenn er es schaffte mit uns beiden allein und unserem gemeinsamen Leben glücklich zu sein, sollte ich das wohl auch können. Oder etwa nicht?
Und das lerne ich gerade. (krank, so etwas lernen zu müssen...aber ja)

Und wenn ich ehrlich sein soll (und hey...das ist MEIN Blog...wenn nicht hier, wo dann :-)
ES GEHT MIR SO GUT WIE SCHON LANGE NICHT MEHR!!!!

Es ist zwar immer noch eine Umstellung und ich bin auch kein Wunderwutzi der einfach einen Schalter umlegt und plötzlich glücklich und zufrieden ist, aber ich bin ziemlich gut dabei.




(vor einigen Monaten habe ich noch etwas anderes probiert, das werde ich euch natürlich auch noch alles genau erzählen...)

Donnerstag, 18. Oktober 2012

Roadtrip

Seit unserem 2. IVF Versuch Anfang 2011 waren wir nicht mehr in der KiWu-Klinik. Unsere Eskimos liegen immer noch gut behütet auf Eis und warten auf ihren Einsatz.

Das ist der momentane Stand der Dinge.

Doch ich wäre nicht ICH, wenn ich in den vergangenen paar Monaten  nicht einiges probiert hätte und noch immer probiere). Aber da ich immer noch nicht schwanger bin, könnte man meine Versuche (die ich euch natürlich noch aufzählen werde) als eher SUBOPTIMAL einstufen. Zumindest was eine Schwangerschaft betrifft. Denn obwohl diese immer noch nicht eingetreten ist, hat sich dennoch sehr vieles in meinem Leben und auch an meinen Ansichten verändert.
 
Die Phasen meiner persönlichen Veränderung stehen schwarz auf weiß niedergeschrieben und mitprotokolliert auf diesen Seiten. Zumindest die kleineren Fortschritte. 

Ein bisschen loslassen können, den Druck ein wenig zu reduzieren, usw. 
Und vor allem (für mich am wichtigsten): Wiedermal ein Leben abseits vom Thema Kinderwunsch zu führen.  
Sich wieder an Dingen erfreuen können.
Sie überhaupt wahrzunehmen...
In dieser Zeit war ich so sehr auf das Ziel versessen, dass ich den Weg dorthin ganz vergessen habe. Und der hält ja auch (wenn man den "Kinderwunsch-Scheuklappen-Effekt" mal ein wenig bei Seite legt) ganz tolle Dinge für einen bereit.

Irgendwie sollte doch der Weg zum Wunschkind nicht nur trostlos sein, sondern eher wie ein Roadtrip. Eine (weite) Reise mit viel Actíon am Straßenrand :-)

Ich schätze, irgendwann kommt jede "Kinderwünschlerin" einmal an einen Punkt, an dem man sich Manches fragen muss (bei der Einen früher - bei der Anderen später):

WIE WEIT GEHE ICH FÜR EIN KIND?
WAS VERSUCHE ICH ALS NÄCHSTES?
SOLLTE ICH ALTERNATIVE HEILMETHODEN IN ERWÄGUNG ZIEHEN?
WANN STARTE ICH EINEN NEUEN VERSUCH?
usw.

Und genau ab hier, geht es für jeden anders weiter. Jeder schlägt ab diesem Zeitpunkt eine andere Richtung ein. Es hat ja auch jeder eine andere Geschichte und andere Erlebnisse diesbezüglich gemacht.
 
Es ist zwar immer der Kinderwunsch, der uns verbindet, doch auf unterschiedlich gelebte und verarbeitete Arten.
Und das soll ja auch so sein, denn ein Stück weit gehen viele gemeinsam einen ähnlichen Weg...doch irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem sich die Zukunft für jeden anders entwickelt.
Jeder für sich selbst eine eigene "Route" wählt. Wie man sich weiterentwickelt, welche weiteren Entscheidungen man trifft, wie das Leben weitergeht und was man davon lernt und für sich selbst mitnimmt.

Über meine gewählte "Route" möchte ich euch natürlich auch nicht im Dunkeln lassen. Ich kann damit wirklich gut leben. Ich bin dankbar, dass mir diese Option "gezeigt" wurde und ich den Mut und die Kraft hatte sie anzunehmen.




Manchmal sind die Karten im Leben nicht so gemischt, wie wir es wollen;
trotzdem müssen wir uns damit zurecht finden und das Spiel weiterspielen.
Anonym

 

 

Mittwoch, 17. Oktober 2012

Auf auf in ein neues Zeitalter!

Und so verging der Sommer den ich vorbeiziehen lassen wollte. Tage, Wochen, Monate vergingen wie im Flug. Kein einziges Mal tauchte bei mir der zwanghafte Wunsch nach einer weiteren künstlichen Befruchtung auf. Ich dachte wohl darüber nach, aber ich hatte so viele andere Dinge im Kopf, dass ich weder Zeit noch Lust dazu verspürte. Irgendwie machte mich das stutzig. Ich war wohl froh über diese angenehme Wandlung meines Lebens, aber so richtig glauben konnte ich es nicht. Zu Beginn dieser „ich geh es jetzt ganz locker an“-Phase dachte ich noch, dass ich mich selbst belügen würde. Dass ich mir unbewusst einredete, dass unser Wunschbaby nicht mehr im Vordergrund unseres Leben stünde. Aber je länger ich darüber nachdachte, desto mehr viel mir auf, dass es tatsächlich so war. Das kam ja auch nicht von heute auf morgen. Das war immerhin ein langer, um nicht zu sagen elendslanger Prozess. Viele schlaflose Nächte, viele Gespräche mit Hasi und noch viel mehr mit mir selbst.

Der Wunsch nach einem Baby ist natürlich immer noch da, aber ich habe einfach begriffen, dass wir nichts erzwingen können. Wir könnten noch zwanzig Versuche starten. Irgendwie ist scheinbar unser richtiger Zeitpunkt noch nicht gekommen. Warum? Tja, das kann ich auch nicht beantworten. Verunsichert es mich? Nein, nicht mehr wirklich. Ich vertraue einfach darauf, dass auch unser Wunsch sich irgendwann erfüllen wird. Unser Wunsch von unserer kleinen Familie.

In unseren endlos langen Gesprächen haben wir uns sehr viele Fragen gestellt. Warum wird das nichts? Warum ist der erste Versuch dermaßen ausgeartet? Warum stehen auf beiden Seiten die Zeichen eher schlecht ein Baby zu bekommen (Eileiter, Spermienquantität)? Passt bei uns vielleicht einfach die „Chemie“ nicht um ein Baby zu zeugen? Sind wir wirklich bereit für ein Baby? Warum wollen wir ein Kind? Wären wir in unserem weiteren gemeinsamen Leben auch ohne Kind glücklich? Würden wir zusammenbleiben? Oder würden wir totunglücklich werden und uns über kurz oder lang voneinander entfernen und sogar trennen? Wären wir wirklich gute Eltern? Hat das Schicksal etwas anderes mit uns geplant? (ja sogar auf solche spirituellen Fragen kamen wir)? Wenn ja, was? Reden wir uns nur ein, dass zur Zeit alles einfacher, leichter funktioniert? Wären wir geduldig genug um auf eine natürlich eintretende Schwangerschaft zu warten? Sollten wir einen weiteren Versuch wagen? Wenn ja, wann? Wie lange würden wir uns Zeit lassen? Wann würden wir unserem Wunsch ein Ende setzen?

Die Fragerei nahm gar kein Ende mehr. Aber wir konnten uns die wichtigsten aller Fragen Gott sei Dank (zu vollster Zufriedenheit beider Seiten) beantworten.

Ja, wir würden auch weiterhin versuchen unseren Wunsch real werden zu lassen. Warum auch nicht? Wir wollen ein Baby. An dem hat sich nichts geändert. Und natürlich würden wir uns ganz besonders freuen, wenn es auf natürlichem Weg klappen würde (ich schließe da gar nichts aus). Aber wir mussten uns natürlich auch mit dem Fall der Fälle auseinandersetzen. Was ist, wenn wir nie ein Baby bekommen könnten? Es wäre sicher nicht immer einfach, aber wir würden auf jeden Fall zusammenbleiben wollen. Wir lieben uns und warum sollte unsere Liebe nicht kinderlos weitergeführt werden? Wir sind uns unserer Sache ganz sicher. Unsere Beziehung ist schon seit so vielen Jahren einfach nur traumhaft. Das lasse ich mir nicht einmal von meinem Kinderwunsch nehmen.

 
Vor langer Zeit habe ich mich einmal gefragt, was ich mit meinem Leben anfangen würde, wenn ich kein Kind bekommen könnte. Damals ist mir nichts wirklich Sinnvolles eingefallen. Ein tolles Auto? Nett. Reisen? Schön, aber auch nicht immer. Kariere? Wer braucht Kariere? Ein großes Haus? Blabla. Mir fiel nichts ein was ich mit meinem restlichen Leben ohne Kind anfangen sollte. Traurig. Jetzt wo mir das bewusst wird, erschüttert mich das. Mir wird jetzt erst die Intensität meiner Verzweiflung bewusst.

Doch das war.

Ich fühle mich richtig dumm bei dem Gedanken, dass wir unser Lebensglück in den letzten Jahren nur von meinem Zyklus abhängig gemacht haben.

Heute habe ich es geschafft, mein Leben nicht verzweifelter Weise anhand eines Kindes für gut oder schlecht zu befinden.  Ich identifiziere mich nicht mehr als Gebär-Mutter. Ich sehe es nicht mehr als meine verdammte Pflicht an um jeden Preis ein Kind zu bekommen. Ohne Rücksicht auf meine eigene Gesundheit. Der Wunsch ist immer noch da. Ja, ich wünsche mir von Herzen ein Baby. Wir wünschen uns von Herzen ein Baby. Wir wären tolle, liebevolle Eltern. Der kleine Zwerg hätte es wunderschön bei uns. Denn er würde Eltern bekommen die ihn aus tiefstem Herzen lieben. Die sich aus tiefstem Herzen lieben.

Es wird sich zeigen. Ich habe ein gutes Gefühl bei dieser Babysache. Und ich freue mich riesig auf den Zeitpunkt, der unser absolutes Wunschkind für uns bereit hält. Er wird schon kommen. Ich werde es erwarten können.

Ich bin wirklich stolz auf uns. Auf unsere Beziehung die nicht zerbrochen ist sondern intensiver wurde denn je. Ich bin stolz auf unseren Zusammenhalt. Auf unseren Kampfgeist. Ich bin stolz auf unseren scheinbar bestandenen Lernprozess.

Ich bin stolz auf uns, als Paar.

Denn wir haben es geschafft, dass ein Baby nicht mehr unseren Lebenssinn ausmachen würde, sondern das Sahnehäubchen auf unserem ohnehin tollen, gemeinsamen Leben wäre.
 
(ABER: ich stehe nunmal auf Sahnehäubchen....und deshalb lässt man natürlich nichts unversucht...aber mehr dann ein anderes Mal)

Dienstag, 16. Oktober 2012

Feindbild Unterleib

Es reicht! Ich habe die Schnauze gestrichen voll! Es ist jetzt wirklich genug!

Ich habe endgültig eingesehen, dass ich das Armdrücken gegen meinen Unterleib verloren habe. Er (mein Unterleib) hat sich in den vergangenen Jahren zu meinem persönlichen Feindbild entwickelt. Ich laufe von Pontius zu Pilatus um es ihm recht zu machen. Von meiner Energetikerin zur Cranio Sacral Therapeutin. Von Visualisieren des Babys über "mit dem Unterleib in Dialog gehen" habe ich echt alles durch. Doch nichts bringt mich bisher ans Ziel. Ich tue wirklich alles was in meiner Macht steht. Gebe Unmengen von Geld für alternative Heilmethoden aus, entspanne mich, nehme alles nicht mehr so ernst. Und dennoch: er wehrt sich gegen eine Schwangerschaft.

Was soll ich denn noch alles machen? Gibt es auf diesem dämlichen Planeten denn irgendetwas, das ich noch nicht versucht habe?

Ich dachte mir, ich beginne mit diesen Methoden um es ihm etwas leichter zu machen, aber es scheint ihn einfach nicht zu interessieren, dass ich mir für ihn den Arsch aufreiße. Er ignoriert meine Bemühungen einfach. Ich habe es satt!

Ja sicher. Früher war das nicht so. Früher habe ich mich gar nicht um ihn gekümmert. Irgendwie bewahrheitet sich ja doch alles, was man in seiner Kindheit und Jugend eingetrichtert bekommen hat. Ich erinne mich nur zu gut an die Ratschläge meiner Mutter:
-          zieh dir ein längeres T-Shirt an damit es dir nicht auf Bauch und Rücken zieht
-          wechsle nach dem Baden deinen Bikini damit du etwas Trockenes anhast
-          setze dich nicht auf den kalten Boden
-          nimm nicht zu lange die "Hormonbombe" Pille

Um nur einige zu nennen. Meine Antwort auf diese sicherlich gut gemeinten Tipps war eigentlich immer ein ziemlich genervtes und absolut nichts ernst nehmendes "Jaaa, Mama". Befolgt habe ich es nie.

"Irgendwann wirst du dir wünschen, du hättest auf mich gehört", waren ihre abschließenden, resignierenden Worte.

Hm. Ich schätze irgendwann tritt genau jetzt ein. Mein Unterleib und ich waren ja noch nie die besten Freunde. Das fing bereits sehr früh an, als ich als Kind beim Balancieren über einen Zaun das Gleichgewicht verlor und breitbeinig auf dem Selbigen aufschlug. Und im Laufe der Zeit ging es von meiner Seite her genau so weiter. Unter anderem mit dem Nichtbefolgen von Mum´s Ratschlägen. Ich habe mich, wenn man so sagen will, um die Aufrechterhaltung unserer Freundschaft nie wirklich gekümmert. Aber wer denkt denn mit dreizehn daran, dass man für diese Vernachlässigung irgendwann mal eine derartige Retourkutsche bekommen könnte? Um es auf den Punkt zu bringen:
Mein Unterleib und ich haben uns in den vergangenen Jahren nichts geschenkt. Heimgezahlt hat er es mir ziemlich früh mit extrem schmerzhaften Regelbeschwerden und immer wieder kehrenden Zysten. Durch meinen Kinderwunsch habe ich dann erst gemerkt, welche Hinterlistigkeiten er noch für mich in petto hatte. Verstopfte Eileiter, einen zu engen Gebärmuttereingang, eine S-Kurve und (ganz speziell) eine Bauchhöhlenschwangerschaft. Irgendwie muss es da ja mal einen "Stopp-Schalter" geben?

Vielleicht habe ich das Alles ja ein wenig verdient. Nach dem Motto "Auge um Auge – Zahn um Zahn" haben wir ständig unsere Machtkämpfe ausgetragen und ich wurde ins Kinderlosenland verbannt. Sicher. Ich kann jetzt nicht mit Gewissheit sagen, ob meine (nennen wir sie) Defizite von meinem achtlosen Umgang in früheren Jahren kommen. Aber ausschließen kann ich es genau so wenig. Und genau deswegen muss ich jetzt in die Offensive gehen.

Lieber Unterleib!
Ich wende mich jetzt erstmalig direkt an dich. Wir müssen reden. Das muss aufhören. Schön langsam könntest du wirklich mal ein Auge zudrücken und eine Schwangerschaft zulassen. Ich tue ja wirklich schon alles dafür, dass du dich bei mir wohlfühlen kannst. Ich möchte keine Feindschaft mehr mit dir haben. Wir sollten es doch irgendwie schaffen in Einklang miteinander zu leben. Ich entschuldige mich für mein schroffes Verhalten in den letzten Jahren. Wenn ich dich irgendwie beleidigt habe, tut mir das ehrlich leid. Vielleicht kannst du mir ja verzeihen. Du siehst ja, dass ich mich ernsthaft bemühe das Alles wieder gut zu machen.

Schon Mahatma Gandhi sagte: "Der Schwache kann nicht verzeihen. Verzeihen ist eine Eigenschaft des Starken."

Wir müssen ja keine Busenfreunde werden, aber vielleicht schaffen wie es ja, uns zumindest fair zu behandeln. Lass uns doch gemeinsam an dem Baby-Strang ziehen. Du möchtest doch bestimmt auch deiner vorgesehenen Aufgabe nachkommen. Lass uns ab jetzt zusammenarbeiten. Lass uns wie Batman und Robin gegen die Kinderlosigkeit ankämpfen! Lass uns wie Pinky und Brain die Herrschaft über das Kinderlosenland an uns reißen!
Auf eine gute freundschaftliche Basis!
  
Hm. Wo habe ich bloß meine Selbstachtung liegengelassen?

Montag, 15. Oktober 2012

Warum will man eigentlich Kinder?

Eine berechtigte Frage. Findet ihr nicht? Warum um alles in der Welt taucht bei einer Frau urplötzlich der Wunsch auf, Mutter werden zu wollen? Heute feiert man noch ausgelassen den 25. Geburtstag und morgen beginnt man sich den Kopf über fruchtbare Tage und Babykram zu zermartern. In so manch ruhiger Minute habe ich mich bereits mit dieser Frage beschäftigt. Aber nicht nur in ruhigen, besinnlichen Minuten. Denn meist drängte sich mir diese Frage dann auf, wenn man sich als Unfruchtbare mitten in einem Mütter-Rudel befindet und die Situation einfach nur beobachtet.

Die Kleinen schreien, weinen bei jeder Gelegenheit, wissen anscheinend ab der ersten Lebenswoche die Eltern auszutricksen, gegeneinander aufzuhetzen und erlauben den meist völlig abgekämpften Müttern nicht einmal eine kurze Kaffeepause.

Ich verhalte mich dann immer recht ruhig und beobachte das Ganze mit (ich gestehe) einem leichten Grinsen im Gesicht. Also bitte: wenn ich schon unfruchtbar bin, dann darf ich mich wohl über gestresste, genervte Eltern belustigen. Ein wenig zumindest.

Mütter halten sich ja fälschlicherweise für ganz normale Menschen. Das Folgende würde ich nicht wagen in einer Müttergruppe von mir zu geben. Das könnte böse enden. Aber seien wir uns ehrlich: Welche Menschengruppe unterhält sich denn während dem gemütlichen Freundinnentreffen über Brechdurchfall, Rotzblasen und Dammschnitte? Ganz richtig: Mütter. Ob man will oder nicht, man erfährt alles über die (ohnehin immer) schlimmste Geburt aller Zeiten. Zu große Köpfe die sich durch zu kleine Ausgänge quetschten. Zu lange Fingernägel, die Spuren im weiblichen Innenraum hinterließen. Und nach solchen oder ähnlichen Horrorgeschichten kommt aber immer, und das unter Garantie, der Spruch: aber wenn man das kleine Ding dann auf der Brust liegen hat ist alles vergessen.

Ach ja? Und warum könnt ihr dann die ganzen Abartigkeiten detailgetreu wiedergeben?

Alles wird einem förmlich aufgedrängt.

Aber wehe man gibt dann als Nichtmutter irgendwelche unpassenden Kommentare ab. Wir haben zwar Meinungsfreiheit, aber Vorsicht. Mütter sind was ihre Babys angeht, humorfreie Zonen. Mit ihnen ist nicht zu spaßen. Man könnte glauben, dass  manchen Müttern zusammen mit der Nachgeburt auch ein Großteil ihres Humors abgenommen wurde.

Die realistische Wahrnehmung hinsichtlich des eigenen Kindes ist Müttern meistens auch unmöglich. Das eigene Kind ist ohnehin das Schönste (was ich ja auch verstehe), auch wenn der kleine undichte Mensch mit schrumpeligen Ärmchen und Beinchen und oft deformiertem Schädel (man hofft darauf, das sich das noch zurecht wächst) vor einem liegt. Aggressive Schreihälse werden schnell mal als "aufgeweckt" betitelt und ängstliche Rockzipfelhänger als "sensible Denker". Und wie lange gelten mondgesichtige Moppel offiziell eigentlich als Babyspeck-Träger?

Die Schwangerschaften selbst werden den Nichtmüttern ja trotz mindestens dreimonatiger Kotzanfällen, Stimmungsschwankungen und Elefantenbeinen schön geredet. Kreuzschmerzen und Schwangerschaftsstreifen werden dezent unter den Tisch fallen gelassen und auch die Tatsache des partnerschaftlichen Zehennägelschneidens und Dammbeinmassierens wird verschwiegen.

Wenn die kleinen (oft übellaunigen) Zwerge dann auf der Welt sind, beginnt die Erziehung. Irgendwie sollte man es ja hinbekommen, dass aus dem eigenen Kind nicht ein absoluter Loser wird. Die ersten Jahre bestehen aus Trotzphasen, Schlafmangel, Kotzflecken auf nahezu jedem T-Shirt und bergeweise vollgekackter Windeln. (Und nein, liebe Mütter, der Geruch einer Solchen ist außer für direkt im Verwandtschaftsverhältnis Stehende wirklich nicht erträglich.)

Also warum zum Teufel will man denn nun Kinder?

Ist diese Frage denn wirklich so ungewöhnlich? Ich habe sie auch in meinem Umfeld gestellt. Aber irgendwie war die Reaktion Mancher doch sehr speziell. Ich hatte sehr oft das Gefühl, dass diese Frage einer unfruchtbaren Frau nicht zustünde. Darf ich mir die Frage denn nicht ernsthaft stellen?

Bist du dir denn nicht mehr sicher? Warum versuchst du denn dann eine künstliche Befruchtung? Denkst du wirklich so über Schwangerschaft, Geburt und Erziehung? Solche und Andere Gegenfragen kamen postwendend zurück.

Halt! Stopp! Wenn ich mir nicht absolut sicher wäre, dass ich ein Kind will, dann würde ich das Alles nicht auf mich nehmen. Und die vielen vernachlässigten Kinder, die aus einer reinen kurzfristigen Bauchentscheidung heraus oder aus Fahrlässigkeit gezeugt wurden, sprechen meines Erachtens dafür, dass sich mehr diese Frage stellen sollten.

Ich bin mir sicher. Ich wünsche mir nichts mehr als eine dieser übervorsichtigen, vollgekotzten, manchmal gestressten, durch und durch liebenden Mütter zu werden. Mein Kind wird für mich einmal den schönsten deformierten Kopf, die süßesten Schrumpelärmchen und die best riechenste vollgekackte Windel haben. Ich freue mich darauf, einem kleinen hilflosem Wesen viel von meiner Zeit, Fürsorge und Liebe zu geben. Unsere Beziehung ist stark genug für ein Kind eine andere Qualität anzunehmen. Wir sind bereit für einen völlig neuen Lebensabschnitt und bereit dafür uns dem anfänglichen Chaos zu widmen.

Und genau so wie jede andere frischgebackene Mutter möchte ich (wenn meine Zeit irgendwann kommt) nach einem 15-stündigen Geburtsmarathon mein blutverschmiertes, blaugefärbtes Babybündel auf der Brust liegen haben und überglücklich sagen können: alle Schmerzen sind vergessen.

Also ja, ich weiß ganz genau warum ich ein Kind möchte!

Künstliche Befruchtung auf der Waagschale

Irgendwann kam dann einmal der Zeitpunkt, an dem ich mich etwas intensiver mit dem Thema künstliche Befruchtung auseinandersetzte. Ja, noch intensiver als es einfach zu machen. Ausschlaggebend war eine Sendung auf einem jener TV-Sender, bei denen mein Finger ansonsten schon rein instinktiv weiterzappt. Per Zufall also, wenn man so sagen will, blieb ich bei einer Sendung hängen, bei der das Thema künstliche Befruchtung in Amerika aufgegriffen wurde. Was ich da sah schockierte mich. Welche Möglichkeiten es überhaupt gab war nicht nur interessant sondern auch ziemlich beängstigend wenn ich ehrlich bin. Versteht mich bitte nicht falsch, ich bin natürlich ein Befürworter der künstlichen Befruchtung, doch irgendwo hört für mich der Spaß auch auf. Die Amis betreiben alles rund um das Thema Kinderwunsch (wie alles Andere auch) etwas exzessiver. Es ist dort ganz normal, dass man sich das Geschlecht des Kindes aussuchen kann. Der interviewte Doktor stellte sogar fest, dass es bereits möglich wäre die Haarfarbe oder die Augenfarbe zu wählen, doch die Menschheit wäre noch nicht bereit dafür. Wie krank ist das denn? Wobei ich bei solchen Hardcore-experimentellen Dingen sowieso nicht die richtige Ansprechperson bin. Da halte ich nichts davon. Im Gegenteil. Manchmal denke ich sogar darüber nach, ob künstliche Befruchtung im Allgemeinen nicht bereits ein Eingriff in eine Thematik ist, die uns (damit meine ich uns Menschen) nicht zusteht. Aber diesem Thema negativ gegenüber zu stehen, da würde ich mir ja selbst ins Knie schießen. Aber seien wir uns ehrlich: komisch ist es schon wenn man darüber nachdenkt. Gegner bezeichnen es als Eingriff in die Schöpfung. Was es ja rational betrachtet auch ist. Aber für unsereins (Paare mit unerfülltem Kinderwunsch) ist es ein Wunder.

Weiters wurde in diesem Film gezeigt, dass die Wissenschaftler mittlerweile aus Hautzellen (stellt euch das mal vor) Spermien erzeugen können. Aus Hautzellen! Außerdem wurden in einer künstlich erzeugten Gebärmutter bereites Mäuseembryonen bis zwei Drittel der "Schwangerschaft" ausgetragen. Das ist bereits alles möglich. Und wer weiß was noch alles möglich ist, von dem wir Normalsterblichen nicht mal annähernd Bescheid wissen.

Als ich mir, wie so oft, in den Internetforen die Wartezeit bis zur einsetzenden Periode vertrieben habe, habe ich so einiges gelesen. Unter anderem auch über den Embryo-Glue. Hiermit soll eine bis zu 30%ige Zunahme der Einnistung erreicht werden. Die Inhaltsstoffe sollen die der Flüssigkeit in der Gebärmutter angepasst sein und verbessern anscheinend gleichzeitig die Ernährungssituation der Embryos. Vor allem ist er aber für das Anhaften der Embryonen an die Gebärmutterschleimhaut zuständig. Ich weiß nicht recht. Ein wenig Entscheidungsfreiheit möchte ich meinem Körper schon noch lassen. Jetzt trickse ich ihn bereits mit einer externen Befruchtung aus, da muss ich ihn nicht auch noch für unmündig erklären in dem ich ihm den Blastozyst reinklebe. Vielleicht hat es ja doch einen Grund warum es zu keiner Einnistung kommt, auch wenn man im Moment des Einsetzens der Periode schreiend und heulend davonlaufen könnte. Das ist natürlich nur meine ganz persönliche Meinung. Ich hoffe es fühlt sich niemand von mir auf den Schlips getreten. Aber mal abgesehen davon, dass es jeder selbst für sich entscheiden kann, ist eine 100%ige Einnistung auch trotz Embry-Glue ohnehin nicht gegeben. Und wenn man schon über "Gründe" nachdenkt, könnte man ja auch behaupten: "Vielleicht hat es ja einen Grund, dass ich auf natürlichem Weg nicht schwanger werde". Diese Überlegungen gehen ins Unendliche. Ich möchte auch gar nicht länger in diesem Meinungstümpel herumwaten. Aber solche und andere Überlegungen waren eben gelegentlich sehr präsent. Fairerweise sollte ich an dieser Stelle erwähnen, dass ich durch meine neu begonnene Ausbildung zur Energetikerin sehr viele neue Sichtweisen bekommen habe und vielleicht, oder genau deshalb, sehr viel über meinen Körper und mich als Ganzes hinterfrage. Das fängt schon bei der Überlegung an, ob verstopfte Eileiter eventuell doch nur eine (sagen wir mal) "Momentaufnahme" sind, wie zum Beispiel eine verstopfte Nase. Ein etwas waghalsiger Vergleich, aber warum sollen Eileiter nicht aus etwaigen Gründen nicht mal wieder frei werden? Oder die Quantität der Spermien durch andere Lebensumstände nicht ansteigen? Man hört und liest so oft, dass Unfruchtbarkeit auch psychische Faktoren hat und Frauen trotz schwerwiegender Diagnosen plötzlich doch fruchtbar sind. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere aufmerksame Leser noch an meine Einstellung zu Beginn dieses Tagebuches, als ich erwähnte, dass ich es für schwachsinnig halte wenn mir Menschen vorschwafeln, dass ich mich nicht so auf das Kind versteifen soll. Und dass Pärchen, als sie mit dem Kinderwunsch bereits abgeschlossen hatten plötzlich schwanger waren. Jetzt frage ich mich schön langsam ob an diesen Aussagen vielleicht doch etwas Wahres dran ist. Immerhin merke ich selber, dass es mir gut tut, dass der fürchterliche Druck weg ist. Wir haben zwar noch (lange) nicht unseren Kinderwunsch ad acta gelegt, aber es ist eindeutig weniger stressig und erträglicher geworden.

So sehr ich mir ein Baby wünsche, aber mich beschäftigt immer öfter wie weit ich dafür gehen würde. Mir ist sehr wohl bewusst, dass ich gerade mal zwei lächerliche Versuche hinter mir habe. Aber reden wir Tacheles: ich habe ohnehin nur zwei Möglichkeiten.

1: ich höre auf und bleibe kinderlos

2: ich mache weiter

Da ich mich mit Möglichkeit 1 nicht arrangieren kann, bleibt nur Möglichkeit 2.  Manchmal hilft es das Ganze ganz rational zu betrachten. Für mich ist Möglichkeit 1 keine Option daher werde ich weitermachen.


Denn: Aufgeben gilt nicht!


Aber ich werde mir für einen weiteren Versuch jetzt definitiv mal Zeit lassen. Jetzt genieße ich mal den Sommer. Ganz ohne Wechseljahrsbeschwerden und Blähbauch. Ich bin doch kein Mensch gewordener Eierstock!

Auch ein unwilliger Körper braucht einmal eine Pause!

Klappe die Zweite

Im März fühlten wir uns beide stark genug für einen erneuten Versuch und so machten wir uns einen Termin bei Mr. T aus und besprachen die Vorgehensweise. Mr. T riet uns zu einem Frischversuch, da die Chance von Eskimos generell geringer ist und bei uns noch geringer, da sie sich erst kurzfristig über Nacht entwickelt hatten. An dieser Stelle fragte ich mich zwar, warum man sie dann trotzdem kryokonserviert hatte, beließ es dann aber und hakte das Ganze unter dem Kapitel "die werden schon wissen was sie tun" ab. Dieses Mal sollte ich aufgrund genau dieser späten Entwicklung andere Medikamente bekommen und so startete ich wieder mit einem Nasenspray zur Downregulierung. Die weitere Vorgehensweise habe ich ja bereits bei unserem ersten Versuch genauer beschrieben also werde ich mich unterstehen euch wiederkäuender Weise zu langweilen. Als positiven Unterschied zum ersten Versuch möchte ich aber anmerken, dass wir beide nicht mehr so nervös waren und viel weniger Druck auf uns lag. Das war ganz angenehm. Klarerweise wussten wir dieses Mal natürlich was auf uns zukam (und wir gingen klugscheißerisch davon aus, dass uns nichts Schlimmeres als letztes Mal passieren könnte). Außerdem erklärten wir uns bereit, bei einer Studie über Seminalplasmaspülungen teilzunehmen. Bei einer Seminalplasmaspülung wird der Muttermund mit Seminalplasma (Ejakulat ohne Spermien) gespült und soll die Gebärmutterschleimhaut auf das Einnisten eines Embryos vorbereiten. Die genaue Wirkungsweise ist noch nicht geklärt (daher auch die Studie), jedoch befinden sich im Seminalplasma viele Botenstoffe, die das Immunsystem der Frau positiv beeinflussen können. Sprich: man möchte wissen, ob irgendwelche Inhaltsstoffe die Gebärmutterschleimhaut auf eine baldige Einnistung vorbereiten.

"Ey Gebärmutterschleimhaut, räum mal auf und mach dich mal geschmeidig! Ein Embryo ist im Anmarsch. In spätestens 5 Tagen klopft er an deine Tür. Und wehe ich höre Beschwerden, also kümmere dich gut um ihn. Dass ich da ja nix höre!"

So in etwa.

Es lief im Großen und Ganzen wieder alles nach Norm ab und so bekam ich Ende März meinen Punktionstermin.

Sogar bei der Hinfahrt an einem Samstag waren wir noch ziemlich entspannt. Da es sich zeitlich nicht anders ausgegangen wäre, hatten wir an diesem Tag unsere "Kinder" bereits mit, was für Hasi auf alle Fälle angenehmer war. Unter meinem Pullover beförderte ich also den Plastikbecher in Alufolie gewickelt wie befohlen direkt am Körper (Körperwärme war wichtig für diese kälteempfindlichen Zwerge) in die Klinik. Dieses Mal bekam ich anstelle eines Bettes in der KiWu-Abteilung ein Bett in der Tagesklinik (kannte ich ja seit Oktober bereits in und auswendig).

Dort sollte ich einchecken, mich umziehen und dann wieder in die KiWu kommen. Gesagt getan.

Hätte ich auch nur 3 Minuten in die Zukunft blicken können, hätte ich unter keinen Umständen auch nur annähernd nach einem Morgenmantel gefragt. Doch wer kann schon in die Zukunft schauen. Also machten wir uns (untermauert von Hasi´s schallendem Gelächter) wieder auf den Weg in die KiWu-Abteilung. In meinem geborgten schweinchenrosarotem Morgenmantel, sponsered by Kinderklinik, sah ich aus wie eine schlankere Version von Cindy aus Marzahn. Das teilte mir Hasi (nach seinem gefühlten sechsten Lachanfall) auch umgehend in Anwesenheit aller anderer Personen im Warteraum mit.

Für lächelnde Gesichter war also gesorgt, jetzt konnte ich mich auf meine eigentliche Aufgabe konzentrieren. Die Punktion.

Ich kürze das Folgende jetzt einfach mal grob fahrlässig ab. Ich hatte elf Eier von denen sich neun befruchten lassen haben. Aber wer jetzt denkt: "Wow, eine tolle Ausbeute", der irrt. In den darauf folgenden Tagen passierte wieder das Selbe wie beim letzten Mal. Die Anzahl wurde weniger und weniger bis nur mehr ein Blastozyst übrigblieb. Alle anderen haben sich gar nicht oder ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr weiterentwickelt.

Ein Blastozyst. Nicht gerade eine fette Ausbeute, aber immerhin. Ich freute mich einfach, dass nicht die ganze Hormonbehandlung umsonst war.

Am Transfertag teilte mir Mr. M mit, dass mein Blasti sicherlich kein Spitzensportler wäre, aber für das österreichische Nationalteam völlig ausreichend. (Vor meinem geistigen Auge stellte ich mir unser Nationalteam beim Versuch vor, den Ball im Tor zu versenken. Da hätte ich mir mein geistiges Auge am liebsten rausgerissen. Also DAS ermutigte mich nicht und sicher auch nicht unseren Blasti.)

"Irgendwie passiert immer das Gleiche", stellte ich fest.

"Was meinen Sie?", fragte mich Mr. M.

"Naja, zu Beginn sieht immer alles spitzenmäßig aus. Ich vertrage die Hormone einwandfrei, es bilden sich genügend Eibläschen, ich habe genug Eier, es lassen sich eine Menge befruchtet und entwickeln sich am Anfang auch weiter. Doch je näher wir dem Transfertag kommen, umso geringer ist die Auswahl. Und dieses Mal ist überhaupt nur einer übrig."

"Das kann eben passieren. Bis zum Blastozyst schaffen es fast nie alle. Und er ist ja nicht schlecht. Er ist eben klein und könnte besser sein."

"Ich gebe den Zwergen scheinbar zu viele Beamtengene mit auf den Weg. Alles immer schön langsam, auf keinen Fall stressen lassen", witzelte ich.

Mr. M lachte und meinte dann, dass wir dann eben auch einen Beamtentransfer machen würden.

Auch dieser Transfer war wieder ziemlich schmerzhaft für mich, da meine S-Kurve wieder das Ihrige dazu beitrug. Aber grundlegend war ich entspannter als beim ersten Mal. Da ich im Vorfeld angemerkt hatte, dass ich meine Gebärmutter nur mehr als Wohlfühloase visualisiere, legte mir die Schwester nach dem Transfer eine warme Decke über und beruhigende Musik kam aus dem CD-Player.

"Für die Wohlfühloase", grinste sie.


Nach diesem ca. 10-minütigem Entspannungszustand war der ganze Spuk auch bereits wieder vorbei, und Hasi und ich fuhren nach Hause. Kopfschwanger und glücklich.

Rückblickend bleibt nicht viel zu sagen, außer:

Versuch Nummer 2 brillierte im Großen und Ganzen durch keine besonderen Vorkommnisse. Ich war ganz einfach nicht schwanger.

Zwischendurch hätte ich zwar alles darauf verwettet es zu sein (anhand von mir wahrgenommenen eindeutigen körperlicher Symptomen), doch ich wurde wieder eines Besseren belehrt.

Der mittlerweile mikroskopisch kleine (ironische) Optimist in mir sagt:

„Immerhin ist eine Steigerungsstufe zu vermerken. Keine Bauchhöhlenschwangerschaft zu haben hat ja auch was Gutes.“

Der immer mehr überhand nehmende Pessimist in mir sagt:

„Schön langsam kann mich das Alles! Man steckt so viel positive Energie wie man nur auftreiben kann in die ganze Sache, man hält sich an jede noch so kleine Regel die einem auferlegt wird, raucht nichts, trinkt keinen Schluck Alkohol, hebt nichts Schweres, streichelt seinen Bauch, nimmt keine Vollbäder, geht nicht ins Solarium oder in die Sauna und dennoch. Wieder nichts. Was soll bei einem eventuellen dritten Versuch denn anders sein? Ich kann nicht mehr tun. Jetzt fehlt nur mehr eine gewaltige Portion Glück. Und die kann ich nicht herzaubern.“

Doch ich habe mich ziemlich schnell gefangen. Mir ging es innerhalb einiger Tage wieder gut. Hasi hat es auch schnell verarbeitet. Wir haben viel darüber gesprochen, viel Zeit miteinander verbracht und auch viel geweint. Das musste einfach raus. Wir fühlen uns jetzt noch mehr mit dem anderen verbunden als jemals zuvor. Und da er endlich über seine Gefühle spricht, ist es alleine deshalb schon ein Gewinn für mich, auch ohne Schwangerschaft.

Doch jeder in unserem näheren Umfeld wartet regelrecht nur mehr auf den großen Crash. Unseren Zusammenbruch. Und ich bin es leid, allen mitzuteilen, dass es mir gut geht. Jeder behandelt mich wie eine tickende Zeitbombe. Allzeit bereit zu explodieren. Und jetzt, wo es mir wirklich gut ging setzte etwas ein, das ich immer verhindern wollte. Es war mir so wichtig, dass ich nie so behandelt werde. Doch jetzt ist es da, unaufhaltsam breitete es sich aus: das leidige MITLEID.

Ich frage mich warum. Denn uns geht es wirklich gut. Und dennoch behandeln uns einige, als würden wir uns jederzeit mit lachenden Gesichtern von der Klippe stürzen wollen. Keine Freude am Leben mehr hätten. Schon die Blicke die wir in Anwesenheit von kleinen Kindern ernteten waren fürchterlich. Behandelt uns doch bitte ganz normal. Meine Güte. Wir sind zwar kinderlos, aber bei Gott nicht freudlos und schon gar nicht hirnlos. Ist denn das so schwierig zu verstehen? Wir sind entspannt und genießen unser Leben. Unser Leben ist auch ohne Kind lebenswert. Wir haben uns. Wir lieben uns. Ihr braucht uns nicht mit Mitleid zu überschütten.


Denn genau das hasse ich.

Ein neues Jahr – ein neues Glück?

Mein Jahresabschluss zu Silvester wurde genau so zelebriert, wie ich es mir vorgenommen hatte. Ich habe 2010 zwar nicht (wie geplant) aus meinem Gedächtnis gelöscht, sondern erstaunlicherweise sehr viel daraus mitgenommen (und ich spreche nicht nur von meinem vernarbten Bauch mit lauter kleinen Schnitten, auf dem ein jeder Malen-nach-Zahlen-Fanatiker seine liebe Freude gehabt hätte). Ich bin reifer geworden, habe viel über mich erfahren, festgestellt wie stark ich bin, meine Beziehung ist noch intensiver geworden und vor allem habe ich einiges über das Leben an sich gelernt. Ich zog die sprichwörtliche Moral aus dieser Geschichte. Und wenn es eine Moral gab, dann war es wohl die: nicht alles im Leben ist planbar.

So absurd es klingen mag, doch all das Erlebte hatte etwas Gutes. Wir entkamen diesem Druck. Wir haben (auf schmerzliche Art und Weise) gelernt, die Kontrolle abzugeben. Die Kontrolle abgeben zu müssen. Auszubrechen aus diesem Rad in das man sich selber presst, sich pressen lässt, ob man will oder nicht. Von Termin zu Termin zu hetzen, Wartezeiten zu überbrücken, zu hoffen und wieder enttäuscht zu werden. Rückblickend behaupte ich sogar, dass unser erster Versuch absolut keine richtigen Emotionen mehr zugelassen hat. Wir haben nur mehr funktioniert. Ich habe nur mehr funktioniert.

Vielleicht war einfach alles Zufall, vielleicht war es aber auch ein unbedingt notwendiger Schachzug des Schicksals. Je nach Interpretation.

Durch meine eigene gewonnene Kraft und Stärke, mutierte ich zur Ansprechperson vieler Kinderloser. Nicht dass ich diese Aufgabe nicht gern übernommen hätte. Mir war nur zu Beginn nicht bewusst, wie viele Schicksale und Geschichten sich in meinem persönlichen "Kinderlos-Universum" rings um mich abspielten. Meine Bekannten und Freunde schätzten meine offene, mit schwarzem Humor vollgepumpte Art mit diesem Thema umzugehen. So fiel es auch ihnen leichter mit mir umzugehen. Viele wussten anfänglich nicht wie sie mit mir sprechen sollten. Sollten sie mich versuchen aufzubauen, sollten sie mich bemitleiden oder sollten sie sogar den Kontakt zu mir reduzieren? Manche konnten sich nach eigener Aussage nicht einmal zu einem Telefonat durchringen, aus Angst vor meinem seelischen Befinden.

Und als sie dann merkten, dass ich nicht den Kopf in den Sand steckte und ganz locker mit diesem Thema umging, waren sie alle erleichtert. Und mit der Erleichterung kam eben bei Einigen unwiderruflich der Drang sich zu offenbaren. Sich mir zu offenbaren.

"Woher nimmst du die Kraft?"

"Wie geht es dir in dieser Situation?"

"Wie verarbeitest du das?"

"Was würdest du tun?"

Solche Fragen kamen des Öfteren. Aber vor allem wollten sie darüber sprechen. Es war weniger das "wissen wollen" sondern mehr das "endlich einmal mit einer Gleichgesinnten sprechen". Mir ging es ja nicht anders. Für mich war meine Offenheit diesem Thema gegenüber - sei es das Schreiben oder das offen Aussprechen - meine Therapie. Und ich verstand diejenigen, die mir jetzt ihr Herz ausschütteten. Ich verstand sie nur zu gut. Es interessierte ja auch mich wie es Anderen ging. Ganz unterschiedliche Menschen, ganz unterschiedliche "Krankheitsbilder", ganz unterschiedliche Familienverhältnisse, ganz unterschiedliche partnerschaftliche Unterstützung oder auch ganz unterschiedliche Meinungen über künstliche Befruchtung im Allgemeinen. Nicht alle kinderlosen Paare in meiner Umgebung waren auch gewillt eine künstliche Befruchtung in Betracht zu ziehen. Manche waren absolut gegen diese Möglichkeit, trotz riesigem Kinderwunsch. Ich respektierte alle Meinungen, aber verstanden habe ich nicht alle. Ich wollte auch keinen bekehren. Immerhin hatte ich mit meinen bisherigen Erfahrungen jetzt nicht unbedingt starke, aussagekräftige PRO-Künstliche-Befruchtungs-Argumente in petto. Meine Geschichte war zwar nicht die typische "ein Fall wie aus dem Leben gegriffen"-Variante, aber dennoch möglich. Und gute Tipps oder Vorschläge einzubringen stand mir sowieso nicht zu. Also ließ ich das mal schön bleiben.

...dann setzte ich noch gewaltig einen drauf

Am Sonntag, zwei Tage nach Verabreichung von Methotrexat, hatte ich bereits am Morgen leichte Unterleibsschmerzen. Deswegen machte ich mich wieder einmal im Internet über dieses Medikament schlau. Ziemlich schnell war meine Besorgnis über Bord geworfen, denn genau meine Empfindungen wurden als Nebenwirkungen beschrieben und waren für mich aufgrund der Erklärung auch plausibel. Immerhin wurden die restlichen Zellen sozusagen durch einen Bluterguss abgekapselt bevor sie "abtransportiert" wurden. Für mich als Laie reichte das voll und ganz aus. Somit konnten wir (Hasi und meine Schwiegermutter) getrost zu Mittag in unsere Stammpizzeria fahren.

Ich hatte immer noch leichte Schmerzen, aber die waren erträglich. Als ich meine Lieblingspizza vor mir auf dem Tisch stehen hatte, garnierte ich sie in gewohnter Manier mit Chili und Knoblauch in rauen Mengen und ließ sie mir schmecken.

Den darauf folgenden Schweißausbruch schob ich noch auf meine doch etwas zu gut gemeinte Extrabeilage. Als die Schmerzen dann aber unerträglich wurden, das Atmen schwer fiel und ich Hasi gegenüber doppelt sah, war mir klar: das lag nicht an der Schärfe. Ich konnte kaum noch sitzen, mir war schwindelig, ich schwitzte. Kurz: es ging mir beschissen. Ich wollte nach Hause. So schnell wie irgend möglich wollte ich mir eine (oder fünf) Schmerztablette(n) einwerfen und mich hinlegen. Aufstehen war schier unmöglich und so trugen mich der Pizzeriabesitzer und Hasi direkt zum Auto und ich wurde trotz meiner Einwände nicht nach Hause, sondern in die Klinik gebracht. Schumi hätte angesichts Hasi´s Bleifuss einpacken können. Was mir nur recht war, denn zu diesem Zeitpunkt saß ich mit geschlossenen Augen im Auto und hatte kein Gefühl mehr in meinen Armen und Beinen. Das Einzige das ich wahrnahm (und das versetzte mich in Panik) war das Pumpen von Blut in meinen Bauchraum. Was sich im Nachhinein als richtig erwies. Die geschlossenen Augen waren ein Selbstschutz, denn ich wollte gar nicht wissen wo wir uns auf dem Weg in die Klinik erst befanden. Ehrlich gesagt glaubte ich nicht daran, rechtzeitig dort anzukommen. Meine Schmerzen waren bestialisch.

Irgendwann kamen wir doch ans Ziel, wo zufällig zwei Rettungssanitäter vorm Eingang standen, die mich dann mit dem Rollstuhl hineinbrachten. Dann ging alles recht schnell. Kurze Untersuchung (ich brauche wohl nicht erwähnen wie schmerzhaft diese Ultraschalluntersuchung in meinem Zustand war) und fertig ausgezogen wurde ich erst im OP. Mein Gott: mein Leben ohne Tragik wäre wohl wie Ernie ohne Bert oder Thelma ohne Louise. Undenkbar!

"Glück gehabt", war mein erster Gedanke als ich aufwachte.

Was war passiert? Das Medikament hat die Überbleibsel derart vergrößert, dass mir fast der Eileiter geplatzt wäre und im Bauchraum war tatsächlich bereits Blut (ich hatte mich also nicht getäuscht). Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie derartige Schmerzen. Nein. Definitiv noch nie.

Es dauerte Tage bis sich Hasi aus seinem Schockzustand erholt hatte. Stündliche Anrufe von ihm und meiner Mutter standen (verständlicherweise) an der Tagesordnung.

"Wie geht es dir?"

"Gut danke."

"Das hast du letztens auch gesagt!"

"Was möchtest du denn hören?"

"Dass es dir gut geht."

"Mir geht es gut."

Ich musste sogar telefonisch ankündigen wann ich duschen ging, denn wenn genau in dieser Zeit jemand angerufen hätte und ich nicht abgehoben hätte...Katastrophe! Aber ehrlich gesagt hatte ich selbst auch gelegentlich ein flaues Gefühl im Magen. Das band ich aber niemandem auf die Nase. Das war mein kleines Geheimnis. Die Starke hatte Schiss. Nein, das durfte niemand wissen.

Liebes 2010-Jahr.  

Jetzt reicht es aber wirklich mal. Mein Ego ist ja bereits zerbröselt. Du musst nicht auch noch Feinstaub daraus machen.

Beste Grüße

Snoopy und andere Peinlichkeiten

Es wurde echt langweilig. "Und täglich grüßt das Murmeltier" kam mir grob abwechslungsreich vor gegen meinen momentanen Tagesrhythmus. Wieder in die Klinik. Wieder zur Aufnahme. Wieder ein kleines Späßchen über mein fast schon tägliches Erscheinen. Wieder warten. Der einzige Unterschied war, dass die Schwestern offenbar bereits Mitleid mit mir hatten und sich die Wartezeit dadurch drastisch verkürzte. Mein persönlicher Mitleidsbonus wenn man so will. Nein, einen Unterschied gab es noch: dieses Mal musste ich nichts abgeben sondern bekam zur Abwechslung mal Etwas. Nämlich mein Methotrexat.

Ich wurde also relativ schnell in einen der Behandlungsräume gerufen und stülpte mir augenblicklich meinen Pulloverärmel nach oben. Dieses Ritual kannte ich ja bereits. Und dann wurde es so richtig schön peinlich.

Ein Assistenzarzt der ganz feinen Sorte betrat das Behandlungszimmer. Oh mein Gott. Optisch ein klassischer Tagesverbesserer. Er für mich. Unter Garantie nicht ich für ihn, denn ich sah aus wie durchgekaut und ausgekotzt. Immer noch einen aufgeblähter Bauch vor mir her schleppend, eine Trainingshose mit ausgedehntem Gummizug, Pickel, Ringe unter den Augen etc. Ja was soll´s. Ich war eben nicht in Bestform. Egal. Der war sicherlich einiges gewohnt.

"Nein. Nicht in den Arm", murmelte der schokobraune Assistenzarzt beim Anblick meines freigemachten Unterarms.

"Hä?"

"Nicht in den Arm. Legen sie sich bitte hier auf den Bauch und machen sie ihren Po frei."

Ach du scheiße. Das fehlte jetzt noch.

Ausgerechnet heute morgen hatte ich mich todesmutig für einen jener Slips entschieden, der jede Dessousverkäuferin in den Freitod getrieben hätte. Snoopy blickte ziemlich ausgewaschen und gleichermaßen ausgeleiert von meinem viel zu großen (aber gemütlichen) Blähbauchslip. Ich grinste also ziemlich dumm, legte mich hin und ließ alles mit hochrotem Kopf über mich ergehen. Dann wollte er noch meine Narben begutachten (die auch keinen Schönheitswettbewerb gewinnen konnten) und Fäden entfernen. Irgendwann hatte ich meinen peinlichen Auftritt dann hinter mich gebracht und versuchte die Stimmung mit einem kleinen Scherzchen etwas angenehmer und nicht ganz so frustrierend zu gestalten.

"Ich hoffe wir sehen uns heuer nicht mehr, also frohe Weihnachten und einen guten Rutsch", sagte ich Mitte November und ging automatisch davon aus, dass dieser hübsche junge Mann meinen Seitenhieb auf die ständigen und immer wiederkehrenden Krankenhausbesuche meinerseits verstanden hätte.

Doch er starrte mich nur an.

Na gut. Dann eben nicht. Hauptsache raus hier. Den  angeordneten Bluttest in einigen Tagen brauche ich wohl nicht extra erwähnen, der versteht sich von selbst. Ich hatte es überstanden. Mein Körper würde die überschüssigen Zellen in meinem Eileiter dank dieses Medikamentes ausstoßen und ich konnte endlich an ein Ende dieses Martyriums denken.

Dachte ich. Denn....

Vom Glück schier erschlagen

Man, bin ich froh, dass ich mir einen dicken Schmöker zum Lesen mitgenommen habe. Den Umständen entsprechend habe ich mich für "Nicht mein Tag" entschieden. Aber dass ich damit den Nagel so dermaßen auf den Kopf treffen würde, damit hatte ich bei meiner Buchwahl am Morgen noch nicht gerechnet. Außerdem schleppte ich bereits eine Reisetasche mit mir rum. Von A wie Augencreme bis Z wie Zahnbürste alles inklusive. Es mag vielleicht für die Ambulanzschwestern ein etwas verqueres Bild abgegeben haben, dass ich zur Blutabnahme mit meiner Reisetasche erschien, aber das war mir zu diesem Zeitpunkt egal.

Ich war so ziemlich die Erste als ich mich zum Anmeldeschalter begab. Nicht nur, dass ich für die Schwestern keine Fremde mehr war, nein, sie kannten mich sogar schon beim Namen.

Merke: wenn dich die Schwestern in einer Krankenhausambulanz bereits beim Namen nennen können und dein Akt griffbereit ist, dann ist das kein gutes Zeichen.

Kurz nach meiner Anmeldung wurde ich bereits aufgerufen und zur Blutabnahme geholt. Offenbar wollten sie den am Vortag festgestellten Werteanstieg des HCG mit einer weiteren Probe untermauern. Mein Blutröhrchen kam in eine Transportbox und wurde mit dem Vermerk "EILT" Richtung hausinternem Labor verschickt. Ich fragte noch wie lange es wohl dauern würde und setzte mich wieder in den Warteraum um in meinem Buch zu Lesen. Vielleicht sollte ich auch erwähnen, dass ich nüchtern war und nichts lieber getan hätte, als mir einen leckeren Cappuccino zu gönnen. Da es aber sein konnte, dass ich schon in einer guten Stunde wieder am Operationstisch liegen würde, sollte ich diesbezüglich aber keinen trinken.

Also machte ich es mir im Warteraum gemütlich und las. Und las. Und las. Ich bin generell ein nicht sehr geduldiger Mensch, aber als ich nach einer Stunde mal vorsichtig nach meinen Ergebnissen fragte und eine negative Antwort diesbezüglich bekam, wurde ich schon ein wenig hibbelig. Immerhin ging es ja nicht nur um meine Ergebnisse. Der komplett weitere Verlauf dieses Tages hing von diesen Werten ab. Musste ich operiert werden? Und wenn ja, wann? (und vor allem nicht zu unterschätzen waren mein mittlerweile nicht mehr auszuhaltender Hunger und vor allem Durst). Ich setzte mich also (bereits leicht genervt) auf meinen Platz und wartete weiter. Patienten kamen und gingen. Ich wartete immer noch. Nach 1,5 Stunden holte mich die Schwester zu sich. "Endlich", dachte ich und freute mich über die überstandene Wartezeit. Aber was jetzt kam, dass war zu viel für mich. Ich nahm mein doofes Schicksal ruhig und gelassen hin. Operation über Operation, Hiobsbotschaft über Hiobsbotschaft. Aber jetzt war ein Punkt erreicht an dem ich feststellen musste, dass meine Nerven nicht aus Stahl waren. Nein, irgendwann war Schluss mit lustig.

Auf der nach oben offenen "wie absurd kann mein Leben noch werden" – Skala erreichte DAS einen neuen Topwert.

DIE HATTEN TATSÄCHLICH MEIN BLUT VERLOREN!

Die Schwester entschuldigte sich gefühlte zwei Millionen Mal. Und dennoch: ich war kurz vorm Explodieren. Wie schwer kann es bitte sein eine thermoskannengroßen Gegenstand mit der Aufschrift "LABOR" und "EILT" eilig ins Labor zu befördern? Ach Mensch. Wie dumm kann man sein?

Ich weiß, ich weiß. Richtet nicht damit ihr nicht gerichtet werdet. Aber ich wollte richten, und zwar hin.


"Das ist wirklich peinlich, aber glauben sie mir: das passiert gerade Mal zwei Mal im Jahr", kommentierte die Schwester.

"Prozentuell gesehen wäre das wohl echt nicht viel", blökte ich zurück und blickte zynisch in Mr. T´s Augen, der mittlerweile diesem Schauspiel beiwohnte. Er kannte sich sofort aus auf was ich anspielte und versuchte mich zu beruhigen.

"Was machen wir jetzt? Ich kann nicht von ihnen verlangen, dass sie sich ein weiteres Mal stechen lassen."

"Ach bitte, auf einen Stich mehr oder weniger kommt es bei meinen Armen auch nicht mehr an. Vielleicht sollte ich jedoch die Probe persönlich ins Labor bringen." Ich hoffte, dass er den Zynismus bemerken würde.

"Na gut, dann schicke ich ihnen dann noch mal die Schwester. Ich würde Ihnen übrigens gerne eine weitere Operation ersparen. Doch wir müssen handeln, denn ihre Werte sind wieder gestiegen und restliche Gewebeteile sind offenbar weitergewachsen. Das haben sie ja bereits am Telefon erfahren. Es gibt ein Medikament namens Methotrexat. Dieses Medikament verhindert die Produktion von neuen Zellen und stoppt das Wachstum. Die Verabreichung des Medikamentes erfolgt mittels einer intramuskulären Injektion. Die Eileiterschwangerschaft wächst auch häufig noch in der Größe. Dies ist wahrscheinlich das Resultat eines Blutergusses und weniger eines wirklichen Wachstums der Schwangerschaft. Wir müssen es bestellen. Wenn sie morgen noch einmal vorbeikommen könnten, dann spritzen wir es ihnen. Dann haben sie es überstanden."

"Das wäre schön."

"Gut, dann sehen wir uns morgen wieder."

Und so verließ ich nach eindeutig zu vielen Stunden die Klinik. Auf der einen Seite froh einer weiteren Operation entgangen zu sein, auf der anderen Seite erschüttert, was mir wieder alles passiert war. Die Neuigkeiten wurden prompt wieder unter die Massen (Hasi, Eltern, engste Freunde und Kollegen) gebracht. Manche (mich eingeschlossen) fanden es wirklich schon absurd was hier vorging. Meine Kollegin meinte sogar, sie traue sich schon gar nicht mehr beim Telefon abheben, denn ich hatte immer noch schlechtere und noch unglaubwürdigere Nachrichten. Ja, ich empfand es auch bereits so. Aber zu diesem Zeitpunkt ahnte ich noch nichts vom weiteren Verlauf. Alles bisherige war dagegen ein Kindergeburtstag (ein ziemlich wagemutiger Vergleich – ich weiß). Pipifax. Nicht der Rede wert. Ich hatte ja keinen blassen Schimmer was die nächsten paar Tage noch für mich in petto hätten.