Dienstag, 16. Oktober 2012

Feindbild Unterleib

Es reicht! Ich habe die Schnauze gestrichen voll! Es ist jetzt wirklich genug!

Ich habe endgültig eingesehen, dass ich das Armdrücken gegen meinen Unterleib verloren habe. Er (mein Unterleib) hat sich in den vergangenen Jahren zu meinem persönlichen Feindbild entwickelt. Ich laufe von Pontius zu Pilatus um es ihm recht zu machen. Von meiner Energetikerin zur Cranio Sacral Therapeutin. Von Visualisieren des Babys über "mit dem Unterleib in Dialog gehen" habe ich echt alles durch. Doch nichts bringt mich bisher ans Ziel. Ich tue wirklich alles was in meiner Macht steht. Gebe Unmengen von Geld für alternative Heilmethoden aus, entspanne mich, nehme alles nicht mehr so ernst. Und dennoch: er wehrt sich gegen eine Schwangerschaft.

Was soll ich denn noch alles machen? Gibt es auf diesem dämlichen Planeten denn irgendetwas, das ich noch nicht versucht habe?

Ich dachte mir, ich beginne mit diesen Methoden um es ihm etwas leichter zu machen, aber es scheint ihn einfach nicht zu interessieren, dass ich mir für ihn den Arsch aufreiße. Er ignoriert meine Bemühungen einfach. Ich habe es satt!

Ja sicher. Früher war das nicht so. Früher habe ich mich gar nicht um ihn gekümmert. Irgendwie bewahrheitet sich ja doch alles, was man in seiner Kindheit und Jugend eingetrichtert bekommen hat. Ich erinne mich nur zu gut an die Ratschläge meiner Mutter:
-          zieh dir ein längeres T-Shirt an damit es dir nicht auf Bauch und Rücken zieht
-          wechsle nach dem Baden deinen Bikini damit du etwas Trockenes anhast
-          setze dich nicht auf den kalten Boden
-          nimm nicht zu lange die "Hormonbombe" Pille

Um nur einige zu nennen. Meine Antwort auf diese sicherlich gut gemeinten Tipps war eigentlich immer ein ziemlich genervtes und absolut nichts ernst nehmendes "Jaaa, Mama". Befolgt habe ich es nie.

"Irgendwann wirst du dir wünschen, du hättest auf mich gehört", waren ihre abschließenden, resignierenden Worte.

Hm. Ich schätze irgendwann tritt genau jetzt ein. Mein Unterleib und ich waren ja noch nie die besten Freunde. Das fing bereits sehr früh an, als ich als Kind beim Balancieren über einen Zaun das Gleichgewicht verlor und breitbeinig auf dem Selbigen aufschlug. Und im Laufe der Zeit ging es von meiner Seite her genau so weiter. Unter anderem mit dem Nichtbefolgen von Mum´s Ratschlägen. Ich habe mich, wenn man so sagen will, um die Aufrechterhaltung unserer Freundschaft nie wirklich gekümmert. Aber wer denkt denn mit dreizehn daran, dass man für diese Vernachlässigung irgendwann mal eine derartige Retourkutsche bekommen könnte? Um es auf den Punkt zu bringen:
Mein Unterleib und ich haben uns in den vergangenen Jahren nichts geschenkt. Heimgezahlt hat er es mir ziemlich früh mit extrem schmerzhaften Regelbeschwerden und immer wieder kehrenden Zysten. Durch meinen Kinderwunsch habe ich dann erst gemerkt, welche Hinterlistigkeiten er noch für mich in petto hatte. Verstopfte Eileiter, einen zu engen Gebärmuttereingang, eine S-Kurve und (ganz speziell) eine Bauchhöhlenschwangerschaft. Irgendwie muss es da ja mal einen "Stopp-Schalter" geben?

Vielleicht habe ich das Alles ja ein wenig verdient. Nach dem Motto "Auge um Auge – Zahn um Zahn" haben wir ständig unsere Machtkämpfe ausgetragen und ich wurde ins Kinderlosenland verbannt. Sicher. Ich kann jetzt nicht mit Gewissheit sagen, ob meine (nennen wir sie) Defizite von meinem achtlosen Umgang in früheren Jahren kommen. Aber ausschließen kann ich es genau so wenig. Und genau deswegen muss ich jetzt in die Offensive gehen.

Lieber Unterleib!
Ich wende mich jetzt erstmalig direkt an dich. Wir müssen reden. Das muss aufhören. Schön langsam könntest du wirklich mal ein Auge zudrücken und eine Schwangerschaft zulassen. Ich tue ja wirklich schon alles dafür, dass du dich bei mir wohlfühlen kannst. Ich möchte keine Feindschaft mehr mit dir haben. Wir sollten es doch irgendwie schaffen in Einklang miteinander zu leben. Ich entschuldige mich für mein schroffes Verhalten in den letzten Jahren. Wenn ich dich irgendwie beleidigt habe, tut mir das ehrlich leid. Vielleicht kannst du mir ja verzeihen. Du siehst ja, dass ich mich ernsthaft bemühe das Alles wieder gut zu machen.

Schon Mahatma Gandhi sagte: "Der Schwache kann nicht verzeihen. Verzeihen ist eine Eigenschaft des Starken."

Wir müssen ja keine Busenfreunde werden, aber vielleicht schaffen wie es ja, uns zumindest fair zu behandeln. Lass uns doch gemeinsam an dem Baby-Strang ziehen. Du möchtest doch bestimmt auch deiner vorgesehenen Aufgabe nachkommen. Lass uns ab jetzt zusammenarbeiten. Lass uns wie Batman und Robin gegen die Kinderlosigkeit ankämpfen! Lass uns wie Pinky und Brain die Herrschaft über das Kinderlosenland an uns reißen!
Auf eine gute freundschaftliche Basis!
  
Hm. Wo habe ich bloß meine Selbstachtung liegengelassen?