"Ey Gebärmutterschleimhaut, räum mal auf und mach dich mal geschmeidig! Ein Embryo ist im Anmarsch. In spätestens 5 Tagen klopft er an deine Tür. Und wehe ich höre Beschwerden, also kümmere dich gut um ihn. Dass ich da ja nix höre!"
So in etwa.
Es lief im Großen und Ganzen wieder alles nach Norm ab und so bekam ich Ende März meinen Punktionstermin.
Sogar bei der Hinfahrt an einem Samstag waren wir noch ziemlich entspannt. Da es sich zeitlich nicht anders ausgegangen wäre, hatten wir an diesem Tag unsere "Kinder" bereits mit, was für Hasi auf alle Fälle angenehmer war. Unter meinem Pullover beförderte ich also den Plastikbecher in Alufolie gewickelt wie befohlen direkt am Körper (Körperwärme war wichtig für diese kälteempfindlichen Zwerge) in die Klinik. Dieses Mal bekam ich anstelle eines Bettes in der KiWu-Abteilung ein Bett in der Tagesklinik (kannte ich ja seit Oktober bereits in und auswendig).
Dort sollte ich einchecken, mich umziehen und dann wieder in die KiWu kommen. Gesagt getan.
Hätte ich auch nur 3 Minuten in die Zukunft blicken können, hätte ich unter keinen Umständen auch nur annähernd nach einem Morgenmantel gefragt. Doch wer kann schon in die Zukunft schauen. Also machten wir uns (untermauert von Hasi´s schallendem Gelächter) wieder auf den Weg in die KiWu-Abteilung. In meinem geborgten schweinchenrosarotem Morgenmantel, sponsered by Kinderklinik, sah ich aus wie eine schlankere Version von Cindy aus Marzahn. Das teilte mir Hasi (nach seinem gefühlten sechsten Lachanfall) auch umgehend in Anwesenheit aller anderer Personen im Warteraum mit.
Für lächelnde Gesichter war also gesorgt, jetzt konnte ich mich auf meine eigentliche Aufgabe konzentrieren. Die Punktion.
Ich kürze das Folgende jetzt einfach mal grob fahrlässig ab. Ich hatte elf Eier von denen sich neun befruchten lassen haben. Aber wer jetzt denkt: "Wow, eine tolle Ausbeute", der irrt. In den darauf folgenden Tagen passierte wieder das Selbe wie beim letzten Mal. Die Anzahl wurde weniger und weniger bis nur mehr ein Blastozyst übrigblieb. Alle anderen haben sich gar nicht oder ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr weiterentwickelt.
Ein Blastozyst. Nicht gerade eine fette Ausbeute, aber immerhin. Ich freute mich einfach, dass nicht die ganze Hormonbehandlung umsonst war.
Am Transfertag teilte mir Mr. M mit, dass mein Blasti sicherlich kein Spitzensportler wäre, aber für das österreichische Nationalteam völlig ausreichend. (Vor meinem geistigen Auge stellte ich mir unser Nationalteam beim Versuch vor, den Ball im Tor zu versenken. Da hätte ich mir mein geistiges Auge am liebsten rausgerissen. Also DAS ermutigte mich nicht und sicher auch nicht unseren Blasti.)
"Irgendwie passiert immer das Gleiche", stellte ich fest.
"Was meinen Sie?", fragte mich Mr. M.
"Naja, zu Beginn sieht immer alles spitzenmäßig aus. Ich vertrage die Hormone einwandfrei, es bilden sich genügend Eibläschen, ich habe genug Eier, es lassen sich eine Menge befruchtet und entwickeln sich am Anfang auch weiter. Doch je näher wir dem Transfertag kommen, umso geringer ist die Auswahl. Und dieses Mal ist überhaupt nur einer übrig."
"Das kann eben passieren. Bis zum Blastozyst schaffen es fast nie alle. Und er ist ja nicht schlecht. Er ist eben klein und könnte besser sein."
"Ich gebe den Zwergen scheinbar zu viele Beamtengene mit auf den Weg. Alles immer schön langsam, auf keinen Fall stressen lassen", witzelte ich.
Mr. M lachte und meinte dann, dass wir dann eben auch einen Beamtentransfer machen würden.
Auch dieser Transfer war wieder ziemlich schmerzhaft für mich, da meine S-Kurve wieder das Ihrige dazu beitrug. Aber grundlegend war ich entspannter als beim ersten Mal. Da ich im Vorfeld angemerkt hatte, dass ich meine Gebärmutter nur mehr als Wohlfühloase visualisiere, legte mir die Schwester nach dem Transfer eine warme Decke über und beruhigende Musik kam aus dem CD-Player.
Nach diesem ca. 10-minütigem Entspannungszustand war der ganze Spuk auch bereits wieder vorbei, und Hasi und ich fuhren nach Hause. Kopfschwanger und glücklich.
Rückblickend bleibt nicht viel zu sagen, außer:
Versuch Nummer 2 brillierte im Großen und Ganzen durch keine besonderen Vorkommnisse. Ich war ganz einfach nicht schwanger.
Zwischendurch hätte ich zwar alles darauf verwettet es zu sein (anhand von mir wahrgenommenen eindeutigen körperlicher Symptomen), doch ich wurde wieder eines Besseren belehrt.
Der mittlerweile mikroskopisch kleine (ironische) Optimist in mir sagt:
„Immerhin ist eine Steigerungsstufe zu vermerken. Keine Bauchhöhlenschwangerschaft zu haben hat ja auch was Gutes.“
Der immer mehr überhand nehmende Pessimist in mir sagt:
„Schön langsam kann mich das Alles! Man steckt so viel positive Energie wie man nur auftreiben kann in die ganze Sache, man hält sich an jede noch so kleine Regel die einem auferlegt wird, raucht nichts, trinkt keinen Schluck Alkohol, hebt nichts Schweres, streichelt seinen Bauch, nimmt keine Vollbäder, geht nicht ins Solarium oder in die Sauna und dennoch. Wieder nichts. Was soll bei einem eventuellen dritten Versuch denn anders sein? Ich kann nicht mehr tun. Jetzt fehlt nur mehr eine gewaltige Portion Glück. Und die kann ich nicht herzaubern.“
Doch ich habe mich ziemlich schnell gefangen. Mir ging es innerhalb einiger Tage wieder gut. Hasi hat es auch schnell verarbeitet. Wir haben viel darüber gesprochen, viel Zeit miteinander verbracht und auch viel geweint. Das musste einfach raus. Wir fühlen uns jetzt noch mehr mit dem anderen verbunden als jemals zuvor. Und da er endlich über seine Gefühle spricht, ist es alleine deshalb schon ein Gewinn für mich, auch ohne Schwangerschaft.
Doch jeder in unserem näheren Umfeld wartet regelrecht nur mehr auf den großen Crash. Unseren Zusammenbruch. Und ich bin es leid, allen mitzuteilen, dass es mir gut geht. Jeder behandelt mich wie eine tickende Zeitbombe. Allzeit bereit zu explodieren. Und jetzt, wo es mir wirklich gut ging setzte etwas ein, das ich immer verhindern wollte. Es war mir so wichtig, dass ich nie so behandelt werde. Doch jetzt ist es da, unaufhaltsam breitete es sich aus: das leidige MITLEID.
Ich frage mich warum. Denn uns geht es wirklich gut. Und dennoch behandeln uns einige, als würden wir uns jederzeit mit lachenden Gesichtern von der Klippe stürzen wollen. Keine Freude am Leben mehr hätten. Schon die Blicke die wir in Anwesenheit von kleinen Kindern ernteten waren fürchterlich. Behandelt uns doch bitte ganz normal. Meine Güte. Wir sind zwar kinderlos, aber bei Gott nicht freudlos und schon gar nicht hirnlos. Ist denn das so schwierig zu verstehen? Wir sind entspannt und genießen unser Leben. Unser Leben ist auch ohne Kind lebenswert. Wir haben uns. Wir lieben uns. Ihr braucht uns nicht mit Mitleid zu überschütten.
Denn genau das hasse ich.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen