Dienstag, 9. Oktober 2012

Phase 3: Das Warten auf den Storch.

Okay. Nicht ganz treffend. Der Storch bringt schließlich fertige Babys. Aber er muss doch auch von irgendwem die Information erhalten, dass er ein solches zustellen soll. Nehmen wir also an, er (der Storch) schaut vorher kurz vorbei und holt die Bestellung ab. Was aber, wenn dieses Mistvieh ums Verrecken nicht auftauchen will?

Genau genommen muss man die Wartezeit (auf diesen langbeinigen Nichtsnutz) auch in unterschiedliche Phasen einteilen:


1) immer noch euphorisch von der Idee angehaucht

2) sich selbst wundernd, warum es jetzt schon eine Weile dauert

3) die Phase in der man sich selbst zu belügen beginnt

4) die Phase in der man sich selbst belügt und den ganzen Mist auch noch glaubt

5) die "sich vor anderen Rechtfertigungsphase"

 
1) Man sieht alles wie durch eine rosarote Brille, malt sich alles in den schönsten Farben aus und spricht von nichts anderem. Das ganze Leben scheint sich nur mehr um Babys zu drehen. Außerdem werden immer mehr Freunde in den Kreis der Wissenden aufgenommen.

Ich gehörte in dieser Lebenslage zu den völlig Beknackten, und kaufte prophylaktisch eine Wickeltasche, Montag-Sonntags-Lätzchen und Babysöckchen (die gammeln jetzt seit 5 Jahren in den unendlichen Weiten meines Kleiderschranks dahin). Diese Phase kann - je nach Beknacktheitsgrad – verschieden lange andauern. Bei mir war es grob geschätzt 1 Jahr. 1 Jahr wahrscheinlich auch deshalb, weil es allgemein bekannt ist, dass es bis zu einem Jahr dauern kann, bis sich die Hormone der Verhütungsmittel im Körper abgebaut haben. In meinem Fall die Pille. Ich bin kein mathematisches Genie, aber dass ich seit meinem 15 Lebensjahr Daumen mal Pi 2500 Euro hätte sparen können, könnte sogar Chantal berechnen (jetzt kann ich mich angesichts der beidseitigen Fruchtbarkeitsdefizite darüber schwarz ärgern).


2) Jetzt ist es soweit: Die Euphoriefassade beginnt zu bröckeln und schön langsam aber sicher wundert man sich doch ein wenig über den eigenen Körper. Jetzt müsste er doch hormontechnisch schon clean sein. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt noch nichts von Ovulationstests, Temperaturmessen und dem ganzen anderen Zeug, das jede Grenze meines Vorstellungsvermögens sprengt. Das war noch alles in weiter Ferne für mich. Und eines sei an dieser Stelle noch erwähnt: über den weiblichen Körper wusste ich zu diesem Zeitpunkt genau so wenig.


3) Diese Phase war für mich rückblickend eine der spannendsten und witzigsten. Sich selbst zu belügen kann wirklich amüsant sein. Es ist eine Mischung aus Rechtfertigung und Lügen. Man versucht wie Sherlock Holmes dahinter zu kommen, welche Beweggründe der eigene Körper haben könnte, nicht kugelrund und aufgedunsen werden zu wollen. Zu diesem Zeitpunkt habe ich begonnen, mich im Internet schlau zu machen. Alles zum Thema Schwangerschaft saugte ich wie ein knochentrockener Schwamm in mich auf. Bewirkt hat das Ganze, dass ich immer noch keine Beweggründe des Körpers beantworten konnte, sondern noch viel schneller schwanger werden wollte. Mein Lügengerüst war durch den weisen Spruch "Gut Ding braucht Weile" so massiv wie das Stahlbetonfundament eines New Yorker Wolkenkratzers geworden. Darauf konnte man ohne mit der Wimper zu zucken drei neue World Trade Center bauen.
 

4) Ich wurde skeptisch, war eingeschüchtert und verstand die Welt nicht mehr. Andere hatten die Hose noch nicht mal bei den Knöcheln und wurden schwanger. Rundherum bekamen Freunde und Bekannte ohne Schwierigkeiten Kinder oder freuten sich über angehende Schwangerschaften. Und bei mir? Bei mir schlich sich langsam aber unaufhaltsam ein ganz ekelhaftes Gefühl ein: Neid. Groll und Zorn entwickelte sich. Als ich mir diese Tatsache in einer besinnlichen Minute eingestanden habe, empfand und beschrieb ich dieses Gefühl so: "Ich habe einen riesigen Brocken Wut und Zorn in mir und schleppe ihn tagtäglich mit mir herum". Kurz: Mir ging es beschissen. Aber ich hatte immer noch genug Rechtfertigungen parat:


- Ich weiß ja gar nicht, wann meine fruchtbare Zeit ist (Achtung Lüge! Jede Frau mit gesundem Menschenverstand weiß natürlich, wann der Eisprung an die Türe klopft)


- Mein Partner ist Montag bis Donnerstag auf Montage in einer anderen Stadt. Falls ich meine fruchtbare Zeit hätte, wäre er ja gar nicht da. (Dicke fette Lüge! Durch die Dauer der fruchtbaren Zeit über einige Tage völlig irrelevant!)


- Und die fetteste aller Lügen: ich richte doch mein Sexleben nicht nach einem Monatsplan aus! (In Wirklichkeit macht man das erstens schon intuitiv und zweitens: Wenn man darauf Einfluss hätte, würde man pünktlich auf die Minute Sex haben.)
 

Und bevor die Frage auftaucht: ja, ich glaubte diese Kacke tatsächlich. All das war mein Fels in der Brandung, meine Titanic des Selbstbetrugs!

 
5) Im Rechtfertigen mir selbst gegenüber war ich zur Höchstform aufgelaufen. Jetzt musste der Mist einfach noch an den Mann/die Frau gebracht werden. Die Freunde fragten schließlich bereits mehr oder weniger rücksichtsvoll nach. Immerhin war es schon eine ganze Weile her, als man ihnen "Die Idee" unterbreitete. Aber die Fragen prallten am Bug meines Hochseekreuzers ab wie Gummibälle an einer Granitmauer. Ich hörte mich selbst Dinge wie "das wird schon werden" sagen, den altbekannten aber immer noch funktionstauglichen Spruch "Gut Ding braucht Weile" rauswürgen (der schon fast zu meinem Lebensmotto mutierte) oder (auch ein Klassiker) "jetzt konzentrier ich mich mal auf die Arbeit". All das verließ meinen Mund ohne jegliche Anstrengung. Ich hatte es bereits verinnerlicht. Und dann tauchte dieser verfluchte Eisberg auf und brachte meine Titanic zum Sinken.

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