Mittwoch, 10. Oktober 2012

Wir schaffen das auch

Da wir in unserem Umfeld die einzigen waren, bei denen der Kinderwunsch zur Herausforderung wurde und im Gegenzug bei unseren Freunden und auch bei unseren Geschwistern die Kinder regelrecht rausflutschten, hat sich natürlich in der Zwischenzeit einiges getan.

Im Februar dieses Jahres bekam Hasi´s Schwester ein Baby. Einen süßen kleinen Fratz namens L. Es war schon schwierig genug von der Schwangerschaft zu erfahren und dann fast 9 Monate lang das für uns schier unmögliche präsentiert zu bekommen. Einen richtig fetten, kugelrunden Schwangerschaftsbauch, entstanden auf ganz natürlichem Weg. Wir mussten uns damit abfinden, dass nicht wir das erste Enkelkind beisteuern würden, sondern Hasi´s um Jahre jüngere Schwester. Sehr toll. Von nun an vermehrten sich zusätzlich die schmerzenden Anmerkungen wie "na, wann ist es denn bei euch endlich so weit?" oder „bei euch wäre es jetzt auch endlich mal an der Zeit“. Ich konnte es nicht mehr hören. Ich hatte es so dermaßen satt diesen Satz zu hören. Es war zum aus der Haut fahren. Und ich hatte es außerdem so dermaßen satt, diesen Satz zu kommentieren.  "Wir lassen uns noch Zeit." "Jetzt suchen wir mal ein Haus." Blablabla.

Und um noch richtig schön Salz in unsere Wunden zu streuen und noch einmal schön darauf hinzuweisen, dass wir immer noch kinderlos waren, wurden wir zu L´s Taufpaten ernannt. Nicht dass wir uns nicht gefreut hätten. Wir freuten uns riesig auf diese Aufgabe. Und wir freuten uns auch riesig über L im Allgemeinen.

Aber seien wir uns ehrlich: leichte Kost war das nicht. Man wünscht allen nur das Beste, freut sich mit allen mit, möchte nur das Beste für den kleinen Wurm. Aber jeder in dieser Situation wird mir bestätigen können, dass es extrem schwierig ist und mit sehr viel Kraft verbunden ist.  Und es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass es mir gut ging in diesen Monaten. Irgendwann hab ich dann einmal meinen Frieden damit geschlossen. Keine Ahnung wie mir das gelungen ist. Wir freuten uns auf jeden Fall ganz toll auf unser Patenkind.

Natürlich wusste zu diesem Zeitpunkt noch niemand von unseren Familien bescheid.

Und auch zum Zeitpunkt der Taufe im Juni hatten wir gerade mal meine Eltern und meinen Bruder eingeweiht.

Ich besorgte ein Taufkettchen mit Schutzengelanhänger und ließ es mit dem Geburtsdatum gravieren. Ein Taufbuch, einen Rosenkranz, eine wunderschöne Taufkerze mit Untersetzer und zu guter letzt wagte ich mich selbst noch über eine Torte, die aussah wie ein Babygesicht mit Schnuller (wurde übrigens ganz toll, wenn man nicht vorhatte sie zu essen). Außerdem legten wir für L auch noch ein Sparbuch an, das er nach seiner Firmung plündern könnte.

Die Taufe selbst war an einem Samstag. Eine zweite Familie war auch dabei, deshalb waren die Lesungen und Lieder aufgeteilt und von beiden Familien verschiedene Geschichten ausgewählt worden.

Beim durchlesen der Texte im Vorfeld, hatte ich mich schon über eine Textpassage der anderen Familie gewundert und habe diese sogar noch belächelt. Es hieß darin: "Lieber Constantin, so lange haben wir auf dich gewartet, und dann kamst du doch zu früh."

Ich musste lachen. Also was jetzt. Lange warten? Zu früh kommen? Was wollten die damit aussagen? Für meinen Geschmack war das ziemlich unvorteilhaft formuliert.

Das Lachen verging mir relativ schnell.

Während der Taufe standen die anderen Eltern auf und lasen einen selbstverfassten Text vor. In diesem Text ging es darum, dass die beiden bereits seit 10 Jahren versuchten ein Baby zu bekommen (so lange mussten wir auf dich warten). Lasst euch das mal auf der Zunge zergehen. 10 Jahre. Constantin war ein ziemliches Frühchen (dann kamst du doch zu früh), aber es ist alles gut verlaufen.

Ich saß während dieses Textes wie angewurzelt auf meinem Stuhl und vernahm die Worte der Beiden. Tausend Bilder schossen mir durch den Kopf. Ich dachte gleichzeitig an so Vieles und doch an gar nichts. Meine Härchen an den Armen stritten sich um einen Stehplatz, ich war so ergriffen. Wie hypnotisiert starrte ich die Beiden an und lauschte ihrem Text über ihr Wunschkind Constantin. Als sie zu weinen begann (was ich verstand, denn mir kullerten bereits seit längerem die Tränen in Zweierreihen über die Wangen), drückte er sie ganz fest an sich und schaute ihr kurz aber bestimmt ganz tief in die Augen. Diesen Blick werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Er dauerte nicht länger als drei Sekunden, sagte aber dennoch soviel aus.

Wir haben es geschafft. Wir halten unseren Sohn in den Armen. Die Zeit des Wartens hat ein Ende. Die Kräfte raubenden Jahre sind vorbei. Wir sind jetzt eine Familie. Wir sind so glücklich und dankbar.

Und dann spürte ich eine Hand auf der Meinen. Sanft. Ganz zärtlich wurde meine Hand gedrückt. Ich drehte den Kopf Richtung Hasi. Und da war er. Ein Blick. Sein Blick. Hasi´s ganz spezieller Blick für mich. Unser Blick. Unser Augenblick. Voll von Zuversicht, Liebe und Wärme.

Wir schaffen das auch!

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