Wie sollte ich das anstellen? Was sollte ich bloß sagen? (Nennen wir sie "D".
„D. Ich muss operieren gehen. Wir wollen ein Baby. Meine bisherigen
spontanen Treffen mit Freundinnen in meiner Mittagspause waren alles erstunken
und erlogene Ausreden wenn ich wieder mal einen Arzttermin hatte. Meine
abweisenden Antworten auf Kinderwunschfragen waren alles nur ein
Selbstschutzmechanismus. Ich hab das Lügen jetzt endgültig satt. Ich mach jetzt
reinen Tisch, denn den OP Termin und den darauffolgenden Krankenstand kann ich
wohl nicht verheimlichen. Du bist mir doch nicht böse, oder?“
Sollte ich das sagen? Rechtfertigte das annähernd meine Situation und
meine vorangegangenen Lügen?
Ja. Genau das tat es. Und genau das sagte ich. Wortwörtlich.
Und soll ich euch was sagen? Es
tat gut. Es tat mir so verdammt gut. Ein Stein von der Größe eines
Einfamilienhauses viel von mir ab. Ich
hatte das Gefühl, dass der erste Haken meines mich einschnürenden Korsetts
geöffnet wurde. Von tief durchatmen war ich noch weit entfernt, aber der erste
Schritt war getan.
Dem folgte ein langes Gespräch zwischen uns. Ich erklärte meine
momentane Situation, was noch alles auf uns zukommen würde und wie wir uns
fühlten. Die Reaktion war toll. Ich bekam absolute Handlungsfreiheit betreffend
zukünftiger Urlaube zugesichert. Ich wollte ja keine Untersuchungen auf
Arzttermin schreiben. Immerhin sah ich das ganze als mein
"Privatvergnügen" an.
Der nächste Schritt wurde mir von meiner besten Freundin förmlich aufgedrängt. Unterstrichen
durch ganz fieses und sehr geschicktes "ins Gewissen reden". Die
hatte das vielleicht drauf.
Aber jetzt im Nachhinein bin ich ihr sehr dankbar. Es war nämlich für
einige Veränderungen ausschlaggebend.
Sie meinte: "So, jetzt müsst ihr es aber endlich euren Eltern
erzählen!" Ich wusste gar nicht wie mir geschah. "Warum sollten
wir?" hakte ich nach.
"Du musst ins Krankenhaus.
Was, wenn etwas passiert? Was, wenn dich dort jemand kennt und es deine Eltern
so erfahren? Du kannst nicht einfach operieren gehen und deinen eigenen Eltern
nicht bescheid geben. Also ich wäre
sauer auf dich und vor allem
enttäuscht!"
Das gab mir natürlich zu denken. Sie hatte vollkommen recht. Aber wenn
ich es meinen Eltern erzählen würde, dann mussten wir es auch seinen Eltern
erzählen. Die wären nämlich auch enttäuscht, wenn sie dann per Zufall davon
erfahren würden. Das alles zog einen Rattenschwanz nach sich, der für mich
nicht akzeptabel war, denn zusätzlich ging es ja auch noch um unsere
Geschwister. Und wir hatten 3 davon.
Ich wollte nicht, dass unsere Eltern es wussten. Die ewigen Fragen wie
"was ist jetzt?" oder "wann hast du den nächsten Termin?"
waren mir noch egal. Und die sicher gut gemeinten Ratschläge und vor allem die
tollen Tipps und Geschichten von anderen, denen es genau so ging störten mich
auch wenig. Würden aber unter Garantie kommen. Aber die Aussicht auf das ganze
Mitleid das ich angesichts dieser Informationen von ihnen erwartete, das hielt
ich im Kopf nicht aus.
Mitleid. Das war überhaupt meine größte Sorge zu diesem Zeitpunkt. Ich
wollte kein Mitleid. Mitleid weist einem immer nur wieder auf die Probleme hin.
Mitleid bringt auch mitleidige Blicke mit sich. Mitleid hilft einem nicht.
Mitleid macht aus dieser echt bescheuerten Situation keine Annehmbarere. Wie
das Wort schon aussagt, leidet jemand mit. Und ich litt eindeutig genug, da
brauchte ich nicht jemanden der das Ganze noch intensivierte.
Aber ich musste mir eingestehen, dass Ela recht hatte. Ich konnte das
nicht für mich behalten. Meine Eltern wären enttäuscht und verletzt, wenn sie
womöglich von jemand anderem per Zufall erfahren würden, dass ihre Tochter im
Krankenhaus ist.
Also los. Es galt einen guten Moment zu finden. Den perfekten Moment.
Einen Moment des Mutes. Einen Moment der Kraft. Einen Moment, an dem ich mein
Lügengerüst der vergangenen 3 Jahre mit einem kleinen Hauch zum Stürzen
brächte. Da kam Freude auf.
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